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EU wappnet sich für chaotischen Brexit am 1. Januar ohne Abkommen

Weitere Verhandlungen bis Sonntag - Brüssel bringt Notfallgesetze auf den Weg

Angesichts der weiterhin festgefahrenen Gespräche mit Großbritannien treibt die EU-Kommission die Vorbereitungen für ein Scheitern der Verhandlungen voran. Die Brüsseler Behörde veröffentlichte am Donnerstag Notfallgesetze für den Fall, dass es am 1. Januar kein Handelsabkommen gibt. Zuvor hatte ein Besuch des britischen Premierministers Boris Johnson in Brüssel keinen Durchbruch gebracht. Die Verhandlungen sollen nun noch einmal bis Sonntag weitergeführt werden.

"Die Verhandlungen dauern noch an", erklärte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Aber es gebe keine Garantie dafür, dass ein Handelsabkommen rechtzeitig in Kraft treten könne. "Es ist unsere Verantwortung, auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein." Die Pläne ihrer Behörde sollen demnach "einige der bedeutenden Störungen" etwa im Flug- und Straßenverkehr abmildern.

Großbritannien war zum 1. Februar aus der EU ausgetreten, bis zum Jahresende bleibt das Land aber noch im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion. In dieser Übergangsphase ist es bisher nicht gelungen, ein Handelsabkommen für die Zeit nach dem Brexit auszuhandeln. Ohne Einigung würden im beiderseitigen Handel zum Jahreswechsel Zölle erhoben mit gravierenden Folgen für die Wirtschaft.

Inzwischen ist die Zeit für die rechtzeitige Ratifizierung eines Abkommens bis zum Jahresende äußerst knapp. Hauptstreitpunkte in den Verhandlungen sind nach wie vor faire Wettbewerbsbedingungen, die Kontrolle eines künftigen Abkommens und die Fangrechte für EU-Fischer in britischen Gewässern. Die Positionen liegen hier "nach wie vor weit auseinander", sagte von der Leyen nach einem gut dreistündigen Abendessen mit Premier Johnson am Mittwoch.

Ohne rechtzeitiges Abkommen würden einige Sektoren besonders hart getroffen, erklärte die EU-Kommission. Für den Flug- und Straßenverkehr zwischen Großbritannien und dem Kontinent sollen deshalb zunächst für sechs Monate Sonderregeln gelten - "unter der Voraussetzung, dass das Vereinigte Königreich dasselbe beschließt". Gleiches gilt für den Fischereisektor, hier vorerst bis Ende nächsten Jahres.

Einige EU-Länder hatten die Kommission bereits vor Wochen aufgefordert, die Notfallgesetze zu veröffentlichen. EU-Parlament und die Mitgliedstaaten müssen den Notfallgesetzen noch zustimmen.

Von der Leyen und Johnson verständigten sich derweil auf weitere Verhandlungen bis Sonntag. Bis dahin solle "eine verbindliche Entscheidung über die Zukunft der Gespräche" fallen, hieß es aus London. Er könne eine weitere Verlängerung der Gespräche darüber hinaus aber nicht ausschließen, sagte der britische Außenminister Dominic Raab. Voraussetzung dafür sei jedoch "substanzielle Bewegung" in den Verhandlungspositionen der EU.

Zentraler Streitpunkt ist, dass die EU die Einhaltung ihrer Standards etwa im Umwelt- oder Sozialbereich dafür fordert, dass Großbritannien seinen umfassenden Zugang zum europäischen Binnenmarkt behält. Europäische Firmen fürchten ansonsten unfairen Wettbewerb aus Großbritannien. London schließt diese dauerhafte Anpassung an EU-Standards als "Angriff auf seine Souveränität" aus.

Die Chefunterhändler von EU und Großbritannien, Michel Barnier und David Frost, nahmen die Verhandlungen am Donnerstagmorgen wieder auf. Beim am selben Tag stattfindenden EU-Gipfel soll der Brexit keine prominente Rolle spielen. Es werde nur eine "kurze" Information der EU-Kommission geben, sagte EU-Ratspräsident Charles Michel. Von der Leyen sagte: "Wir werden am Sonntag eine Entscheidung treffen."

by Von Peter EßER