Vor dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs hat die EU von Großbritannien Bewegung in den Verhandlungen über ein Handelsabkommen nach dem Brexit verlangt. "Wir sind in einer äußerst kritischen Phase", sagte Europa-Staatsminister Michael Roth (SPD) bei einem Treffen mit seinen EU-Kollegen am Dienstag. "Die Zeit läuft aus." Nötig seien "wesentliche Fortschritte" Londons bei Fragen der Kontrolle des künftigen Abkommens, fairen Wettbewerbsbedingungen und Fischerei.
Großbritannien war zum 1. Februar aus der EU ausgetreten. Bis Ende des Jahres bleibt es aber noch im EU-Binnenmarkt und der Zollunion. Diese Zeit wollten beide Seiten eigentlich nutzen, um ein Handelsabkommen aushandeln. Doch die Gespräche kommen seit Monaten kaum voran. Nun bleiben nur noch wenige Wochen, um eine Vereinbarung zu schließen, die bis Jahresende in Kraft treten kann.
Die EU sei auch auf ein Scheitern der Verhandlungen vorbereitet, sagte Roth in Luxemburg. Ein sogenanntes No-Deal-Szenario sei aber "der schlechteste Fall" für beide Seiten.
Die Europaminister werden am Dienstag durch EU-Chefunterhändler Michel Barnier über den Stand der Verhandlungen informiert. Die EU-Staats- und Regierungschefs beraten dann bei ihrem Gipfel am Donnerstag und Freitag darüber, wie lange eine Fortsetzung der Verhandlungen noch sinnvoll ist.
Frankreichs Europastaatssekretär Clément Beaune sagte zum Auftakt der Gespräche in Luxemburg, er wolle seine Kollegen an die Notwendigkeit einer "sehr geeinten Position" der 27 Mitgliedstaaten erinnern. Er nannte Fischerei an erster Stelle der für Frankreich wichtigen Themen.
Daneben betonte der Franzose die Notwendigkeit fairer Wettbewerbsregeln. "Sonst sehen wir uns ungerechtem Wettbewerb ausgesetzt", der Bürgern und Firmen in der EU schade, sagte er.
Die künftigen Fangrechte für EU-Fischer in britischen Gewässern betreffen nur acht der 27 Mitgliedstaaten. Deutschland ist zwar auch betroffen, im Vergleich zu Frankreich und anderen Ländern ist der Anteil an den Fischereirechten aber gering.
Laut EU-Kommission hat der Bereich pro Jahr ein Gesamtvolumen von 635 Millionen Euro. Die Bedeutung im Vergleich zu anderen Wirtschaftsbereichen ist damit gering. EU-Diplomaten verweisen aber darauf, dass das Thema in Ländern wie Frankreich, Belgien oder Dänemark "eine hochpolitische Frage" sei.
by MICHELE TANTUSSI