Vor einer neuen Verhandlungsrunde zwischen der EU und Großbritannien über die Beziehungen nach dem Brexit gibt es massive Spannungen: EU-Chefunterhändler Michel Barnier äußerte sich am Montag verärgert über einen britischen Zeitungsbericht, wonach der britische Premier Boris Johnson die mit dem Brexit eingegangenen Zusagen zum Status von Nordirland unterlaufen will. Johnson selbst warnte vor einem Scheitern der Verhandlungen.
“Alles, was unterschrieben wurde, muss respektiert werden”, sagte Barnier dem Radiosender France Inter in Paris. Er reagierte damit auf einen Bericht der “Financial Times”. Danach will Johnson zwei Kernvereinbarungen mit der EU zu Nordirland mit einem neuen Gesetz aushebeln.
Zum einen geht es um Staatshilfen für Unternehmen in Nordirland, die laut Austrittsabkommen auch künftig unter EU-Regeln fallen würden. Laut der Zeitung will Johnson die Pflicht für die britische Regierung aufweichen, Brüssel über solche Hilfsgelder zu informieren.
Darüber hinaus geht es um Auflagen für nordirische Unternehmen beim Transport von Waren in das Vereinigte Königreich. Laut Abkommen müssen die Unternehmen die Warensendungen als Exporte deklarieren. Auch diese Pflicht will Johnson laut “FT” aufweichen.
Der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europaparlament, Bernd Lange (SPD), äußerte sich auf dem Kurzbotschaftendienst Twitter “schockiert”. Die EU werde “sich nicht erpressen lassen”, betonte er. Ein EU-Diplomat in Brüssel merkte an: “Wer will schon ein Handelsabkommen mit einem Land abschließen, das internationale Verträge nicht umsetzt?”
Die nächste Verhandlungsrunde über die Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien nach dem Brexit beginnt am Dienstag in London. Beide Seiten dringen auf einen Abschluss bis zum EU-Gipfel Mitte Oktober.
Johnson betonte laut einer von seinem Büro veröffentlichten Erklärung, wenn es bis dahin keine Einigung gebe, “dann sehe ich nicht, dass es ein Freihandelsabkommen zwischen uns geben wird”. Nach der letzten Runde im August hatte auch Barnier vor einem Scheitern gewarnt.
Großbritannien war am 31. Januar aus der EU ausgetreten. Bis Jahresende gilt eine Übergangsphase. Bis dahin wollen beide Seiten ihre künftigen Beziehungen regeln und vor allem ein Handelsabkommen vereinbaren.
by ERIC PIERMONT