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EU und China belegen sich im Streit um Uiguren gegenseitig mit Sanktionen

Brüssel prangert Menschenrechtsverstöße an - Peking sanktioniert EU-Abgeordnete

Im Streit um Pekings Vorgehen gegen die muslimische Minderheit der Uiguren haben sich die EU und China gegenseitig mit Sanktionen belegt. Die EU-Außenminister beschlossen am Montag bei einer Sitzung in Brüssel erstmals seit drei Jahrzehnten Sanktionen gegen China wegen Menschenrechtsverstößen. Die Regierung in Peking reagierte darauf postwendend mit Strafmaßnahmen gegen EU-Parlamentarier und Wissenschaftler aus Deutschland und anderen EU-Staaten.

Brüssel setzte vier chinesische Partei- und Regionalvertreter sowie eine Organisation aus der Provinz Xinjiang auf die EU-Sanktionsliste. Menschenrechtsorganisationen zufolge sind in Xinjiang mindestens eine Million Uiguren und andere Muslime in hunderten Haftlagern eingesperrt. Dort werden sie den Angaben zufolge zur Aufgabe ihrer Religion, Kultur und Sprache gezwungen und teilweise auch misshandelt.

Peking weist die Vorwürfe zurück und spricht von Ausbildungs- und Arbeitsprogrammen, die Extremismus in der Regionen bekämpfen sollen. Die EU solle es unterlassen, "andere über Menschenrechte zu belehren" und sich in Chinas "inneren Angelegenheiten einzumischen", erklärte das Außenministerium in Peking.

Betroffen von den chinesischen Sanktionen sind unter anderem die deutschen EU-Parlamentsabgeordneten Reinhard Bütikofer (Grüne) und Michael Gahler (CDU) sowie das Mercator Institute for China Studies in Berlin. Die insgesamt zehn Politiker und Wissenschaftler sowie vier Organisationen würden "Chinas Souveränität und Interessen ernstlich schaden und bösartigerweise Lügen und Falschinformationen verbreiten", erklärte das Außenministerium.

Den Sanktionierten und ihren Angehörigen wird demnach die Einreise nach China sowie in die Sonderverwaltungszonen Hongkong und Macao untersagt. Zudem dürften mit ihnen in Verbindung stehende Unternehmen und Organisationen keine Geschäfte mehr mit China treiben.

Bütikofer, der der Europaparlamentsdelegation für die Beziehungen zu China vorsitzt, bezeichnete die Sanktionen als "gleichzeitig frech und lächerlich". Peking schaffe es, mit seiner Aktion die vier wichtigsten EU-Parlamentsfraktionen gegen sich aufzubringen. "Es ist, wie das chinesische Sprichwort sagt: Der Stein, den sie erhoben haben, wird ihnen auf ihre eigenen Füße fallen", sagte er zu AFP. Das chinesische Außenministerium verwendet diese Formulierung selbst häufig, um anderen Staaten zu drohen.

"Dadurch wird der Dialog mit Vertretern der Volksrepublik natürlich erschwert und belastet, was ich bedauerlich finde", kommentierte der CDU-Politiker Gahler die Sanktionen. Er vermute, dass sein Engagement in parlamentarischen Freundschaftsgruppen mit Taiwan "eine gewisse Rolle" bei der Entscheidung Pekings gespielt habe, ihn auf die Sanktionsliste zu setzen.

Der in den USA lebende deutsche Wissenschaftler Adrian Zenz, der ebenfalls sanktioniert wird, sagte der Nachrichtenagentur AFP: "Ich bin nicht überrascht, von Chinas Gegenmaßnahmen betroffen zu sein - angesichts meiner Rolle bei der Aufdeckung des Ausmaßes von Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang."

Außenminister Heiko Maas (SPD) nannte die Reaktion Pekings "weder nachvollziehbar noch akzeptabel". "Wir sanktionieren Menschen, die gegen Menschenrechte verstoßen, und nicht Parlamentarier, wie das jetzt von der chinesischen Seite geschehen ist." Dies zeige immerhin, dass die Botschaft der EU "anscheinend angekommen ist", sagte Maas nach dem Treffen mit EU-Kollegen in Brüssel.

Die EU-Sanktionen waren die ersten gegen China wegen Menschenrechtsverstößen seit der Niederschlagung der Proteste auf dem Pekinger Tiananmen-Platz 1989. Sie beinhalten Einreise- und Geschäftsverbote und das Einfrieren von Vermögen in der EU.

by THIERRY CHARLIER