Nach langen Gesprächen über die Haltung der Europäischen Union im Nahostkonflikt rückt am zweiten Tag des EU-Gipfeltreffens in Brüssel das Thema Ukraine wieder mehr in den Fokus. Am Freitagmorgen kündigte sich ein Ringen der 27 Staats- und Regierungschefs um weitere Hilfen für das von Russland angegriffene Land an. Ungarn und die Slowakei blockieren diese bislang.
"Es ist wirklich wichtig, dass eines der Ergebnisse dieses Treffens darin besteht, dass wir die Ukraine nicht aus den Augen verlieren", warnte der irische Regierungschef Leo Varadkar. Bereits am Donnerstag habe die Mehrheit der Gipfelteilnehmer aber klar gemacht, "dass die Ukraine unterstützt werden muss und dass dies vor Jahresende geschehen muss", sagte die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas. "Ich denke, wir werden es schaffen, die beiden Länder zu überzeugen, die bislang nicht an Bord sind."
Die EU-Kommission hatte eine milliardenschwere Aufstockung des Gemeinschaftshaushalts vorgeschlagen, um unter anderem ukrainische Flüchtlinge zu versorgen. Ungarn lehnt dies offen ab. "Wir wollen weder Geld für Migranten noch für die Ukraine ausgeben", sagte Regierungschef Viktor Orban am Donnerstag. Diplomaten zufolge blockiert auch die Slowakei, wo mit Robert Fico seit kurzem wieder ein eher pro-russischer Politiker die Regierung führt.
Luxemburgs Regierungschef Xavier Bettel warf Orban Erpressung vor. Der Ungar komme nach Brüssel und sage, "wenn Sie für die Ukraine Geld brauchen, dann brauchen wir auch Geld für uns". Ungarns ablehnende Haltung gilt unter Diplomaten als Druckmittel, um die Freigabe von 13 Milliarden Euro für Ungarn zu erreichen, welche die EU im Streit mit dem Land um die Rechtsstaatlichkeit eingefroren hat.
Bettel bekräftigte seine Kritik vom Vortag: Mit seiner pro-russischen Haltung zeige Orban der Ukraine den "Stinkefinger". Die anderen EU-Staaten dürften hier "nicht Geiseln sein, auch nicht von Herrn Orban".
EU-Ratspräsident Charles Michel stellte weitere Hilfen und ein weiteres Sanktionspaket gegen Russland in Aussicht. Gefragt nach dem Widerstand aus Budapest und Bratislava zeigte er sich optimistisch. Die EU-Gipfeltreffen seien "systematisch eine Übung der kollektiven Intelligenz", sagte der Belgier. "Am Ende sind wir uns einig." Am Donnerstag habe das beim Thema Nahost auch geklappt.
Nach zähen Gesprächen hatten die 27 Staats- und Regierungschefs sich am Vorabend auf eine gemeinsame Erklärung zum Krieg in Nahost verständigt. Sie sprachen sich darin unter anderem für "Korridore und Pausen für humanitäre Zwecke" aus, um Zivilisten im Gazastreifen zu helfen. Besonders Deutschland und Österreich hatten sich dagegen gewehrt, Israel zu einer Waffenruhe aufzurufen.
pe/mhe