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EU-Parlament zeichnet Opposition in Belarus für Einsatz für Demokratie aus

Sacharow-Preis für Tichanowskaja und ihre Mitstreiter

Der diesjährige Sacharow-Preis für Demokratie und Menschenrechte geht an die Opposition in Belarus. Das EU-Parlament würdigte damit am Donnerstag den Einsatz der Gegner des autoritär regierenden Staatschefs Alexander Lukaschenko für einen friedlichen Machtwechsel. Prominenteste Oppositionelle ist die ehemalige Präsidentschaftskandidatin Swetlana Tichanowskaja, die ins Exil nach Litauen fliehen musste. EU-Ratspräsident Charles Michel und weitere Spitzenpolitiker brachten ihre Unterstützung für die belarussische Opposition zum Ausdruck.

"Geben Sie Ihren Kampf nicht auf. Wir sind an Ihrer Seite", schrieb EU-Parlamentspräsident David Sassoli an die belarussische Opposition gewandt auf Twitter. Der Sacharow-Preis würdige "den Mut der belarussischen Opposition und ehrt ihren Kampf für Demokratie und Freiheit", erklärte Ratspräsident Michel. Von Lukaschenko forderte er Dialogbereitschaft.

"Dies ist eine Auszeichnung für das belarussische Volk, das ist keine Auszeichnung für mich persönlich", sagte Tichanowskaja vor der Presse in Kopenhagen, wo sich die 38-Jährige derzeit zu einem Arbeitsbesuch aufhält. Zuvor hatte sie sich bereits auf Twitter für den Preis bedankt.

Das EU-Parlament zählt insgesamt zehn belarussische Regierungsgegner zu den Preisträgern, darunter das Präsidium des Koordinierungsrates, der einen politischen Wechsel in dem Land herbeiführen will. Das bekannteste Gesicht dieses Gremiums ist die 72-jährige Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch. Sie hält sich aus gesundheitlichen Gründen offenbar seit einigen Wochen in Deutschland auf.

Ausgezeichnet wird auch Alex Bjaljazki, Gründer des Minsker Menschenrechtszentrums Wjasna. Der Aktivist hatte Anfang Oktober bereits den Alternativen Nobelpreis erhalten. Auch Tichanowskajas Ehemann Sergej ist unter den Sacharow-Preisträgern. Der bekannte Blogger wollte ursprünglich bei der Präsidentschaftswahl Anfang August antreten, wurde aber verhaftet. Für ihn trat dann seine Frau an. Die Verleihung des Sacharow-Preises findet am 16. Dezember statt.

Zehntausende Oppositionsanhänger in Belarus demonstrieren seit Wochen friedlich gegen Lukaschenko, dem sie massiven Wahlbetrug vorwerfen. Die belarussischen Sicherheitskräfte gehen hart gegen die Demonstranten vor, tausende wurden festgenommen und Berichten zufolge teils auch gefoltert. Viele prominenten Führungsfiguren der Opposition flohen angesichts der Repression ins Ausland.

Tichanowskaja hatte Lukaschenko vergangene Woche ein Ultimatum bis zum 25. Oktober gestellt. Sollte er bis dahin nicht zurücktreten, "wird das gesamte Land friedlich auf die Straße gehen", erklärte sie. Sie kündigte für diesen Fall auch einen landesweiten Streik an. Lukaschenko schloss Zugeständnisse bislang aus. Vergangene Woche drohten belarussischen Sicherheitskräfte, die bereits Wasserwerfer, Tränengas und Blendgranaten einsetzten, sogar mit einem Schusswaffeneinsatz gegen Demonstranten.

Die Opposition weiß die EU und politische Schwergewichte wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hinter sich. Merkels Sprecher begrüßte den Sacharow-Preis umgehend als "starkes Zeichen der Solidarität". "Die Menschen in Belarus, die für Meinungsfreiheit und faire Wahlen auf die Straßen gehen, beeindrucken uns alle durch ihren Mut", schrieb er auf Twitter.

Das EU-Parlament verleiht den Sacharow-Preis an Menschen, die sich "in besonderer Weise für die Menschenrechte" und für Demokratie eingesetzt haben. Die Auszeichnung ging im vergangenen Jahr an den uigurischen Intellektuellen Ilham Tohti, der in China im Gefängnis sitzt. Der Preis ist nach dem verstorbenen russischen Dissidenten und Physiker Andrej Sacharow benannt und mit 50.000 Euro dotiert.

by Von Peter EßER