Das Europaparlament und die EU-Staaten haben sich auf den billionenschweren Haushalt der Union für die kommenden sieben Jahre geeinigt. Nach Parlamentsangaben vom Dienstag konnten die Abgeordneten in den Verhandlungen mit der deutschen EU-Ratspräsidentschaft eine Aufstockung des Mehrjahresbudgets um 16 Milliarden Euro erreichen. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) begrüßte die Einigung als einen "wichtigen Durchbruch". Ungarn bekräftige allerdings seine Veto-Drohung wegen des geplanten Rechtsstaatsmechanismus.
Wie ein Sprecher der deutschen EU-Ratspräsidentschaft mitteilte, wurden in den Verhandlungen "gezielte Stärkungen" von EU-Programmen beschlossen. Gleichzeitig werde aber der Beschluss der EU-Staats- und Regierungschefs respektiert, die sich im Juli auf ein Mehrjahresbudget von 1074 Milliarden Euro geeinigt hatten.
Der EU-Rat der Mitgliedstaaten bezifferte die vereinbarten Erhöhungen mit 15 Milliarden Euro etwas geringer als das Parlament. 12,5 Milliarden Euro sollen dabei aus "zusätzlichen Mitteln" kommen. Dies können nach Angaben aus Verhandlungskreisen vor allem Strafen aus Wettbewerbsverstößen sein. Weitere 2,5 Milliarden Euro sollen laut Rat umgewidmet werden.
Eine weitere Milliarde könne gegebenenfalls durch "Flexibilität" zwischen den Programmen gewonnen werden, hieß es aus Diplomatenkreisen. Damit kämen dann beide Seiten auf 16 Milliarden Euro mehr.
Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft und Vertreter des Parlaments hatten seit September über das Budget verhandelt. Anfangs beliefen sich die Forderungen der Abgeordneten nach einer Erhöhung des Budgets auf insgesamt rund 113 Milliarden Euro. Die Mitgliedstaaten wollten aber den komplizierten Gipfel-Kompromiss vom Juli nicht nochmals aufschnüren. Denn mit ihm verknüpft ist auch der 750 Milliarden Euro schwere Fonds gegen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie.
"Die EU hat ihre Handlungsfähigkeit bewiesen", erklärte EU-Handelskommissar Johannes Hahn. Durch die Einigung werde "überlebenswichtige" Unterstützung für Unternehmen, Bürger und Regionen in dieser "beispiellosen Krise" gesichert.
Die Einigung enthält auch einen groben Zeitplan für die Einführung neuer EU-Abgaben als Einnahmemittel für die EU. Eine Steuer auf nicht-recyceltes Plastik ab nächstem Jahr war bereits beschlossen. Für eine spezielle Steuer für Digitalunternehmen und Aufschläge auf CO2-intensive Importe aus Drittländern wird nun 2023 anvisiert. Eine europäische Finanztransaktionssteuer soll nach Parlamentsangaben spätestens 2026 kommen.
Derartige Zusagen der EU-Mitgliedstaaten "wären vor sieben Jahren noch undenkbar gewesen", erklärte der SPD-Europaabgeordnete Jens Geier.
Das Verhandlungsergebnis muss nun nochmals abschließend von beiden Seiten bestätigt werden. Das EU-Land Ungarn hat hier Widerstand angekündigt. Die Regierung in Budapest wehrt sich gegen einen vergangene Woche separat beschlossenen Mechanismus, der die Vergabe von Haushaltsmitteln an die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit knüpft.
Diese Regelung laufe "völlig konträr" zur Einigung vom Juli, bekräftigte die Regierung in Budapest am Dienstag. Der Rechtsstaatsmechanismus sei "lediglich ein Instrument in den Händen der liberalen, migrationsbefürwortenden Mehrheit des Europäischen Parlaments, um abweichende Mitgliedsstaaten zu erpressen und unter Druck zu setzen".
Bundesfinanzminister Scholz rief die anderen Mitgliedstaaten und das gesamte EU-Parlament auf, dem Kompromiss zuzustimmen. "Wer will, dass Europa gestärkt aus der Krise kommt, muss diese Einigung unterstützen." In vielen Länder werde das Geld wegen der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie "dringend gebraucht".
by Von Peter EßER und Martin TRAUTH