Das EU-Parlament hat die Inbetriebnahme eines Atomkraftwerks in Belarus scharf kritisiert. Die beiden Reaktoren in Ostrowez seien "eine mögliche Bedrohung für die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten", heißt es in einer am Donnerstag in Brüssel mit breiter Mehrheit verabschiedeten Entschließung. "Belarus und Russland (setzen) mit dem Kernkraftwerk ein geopolitisches Projekt um."
Das Atomkraftwerk ist das erste in Belarus und war im November erstmals ans Netz gegangen. Im März soll es kommerziell in Betrieb gesetzt werden und künftig ein Drittel des belarussischen Energiebedarfs abdecken. Die beiden Reaktoren wurden von russischen Ingenieuren entworfen und fast ausschließlich mit russischen Krediten finanziert.
Seit November habe es jedoch immer wieder Notabschaltungen, Ausfälle von Anlagenteilen und Fehlfunktionen der Kühlsysteme gegeben, heißt es in der Entschließung des Europaparlaments. Wegen unzureichender Kontrollen und Transparenz müsse von einer "geringen Betriebssicherheit" ausgegangen werden.
Den Abgeordneten zufolge erfolgte die Inbetriebnahme "übereilt" und auf politischen Druck auf die belarussische Atombehörde. Im November war das Akw vor dem Hintergrund der Massenproteste gegen den belarussischen Staatschef Alexander Lukaschenko ans Netz gegangen.
Ostrowez liegt nur 40 Kilometer von der litauischen Hauptstadt Vilnius entfernt. Litauen hat das Akw zur Bedrohung der "nationalen Sicherheit" erklärt. Auf Druck der baltischen Staaten wurde im November der Stromhandel der EU mit Belarus eingestellt. Dem EU-Parlament zufolge kann aber "nach wie vor Strom aus Belarus über das russische Netz auf den Binnenmarkt gelangen".
Viele Bürger in der Region stehen noch unter dem Eindruck der Katastrophe, die sich 1986 im ukrainischen Tschernobyl ereignete. Damals waren große Teile von Belarus und des Baltikums verstrahlt worden, nachdem der Reaktorblock 4 des Akw sowjetischer Bauart bei einem Sicherheitstest explodiert war.
by Handout