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EU-Gipfel entscheidet über Kompromiss im Budgetstreit mit Ungarn und Polen

Kürzung von EU-Geldern könnte sich bis 2022 verzögern - Budapest sieht "Sieg"

Im EU-Haushaltsstreit mit Ungarn und Polen hängt nun alles vom Gipfel der Staats- und Regierungschefs ab. Der deutsche EU-Vorsitz unterbreitete den anderen Mitgliedstaaten am Mittwoch einen mit Warschau und Polen ausgearbeiteten Kompromissvorschlag. Er könnte nach AFP-Informationen die Anwendung der umstrittenen Möglichkeit zur Kürzung von EU-Geldern deutlich verzögern - womöglich bis nach der Parlamentswahl in Ungarn im Jahr 2022. Budapest feierte bereits einen "Sieg".

Ungarn und Polen hatten wegen der Rechtsstaatspläne ihr Veto gegen ein 1,8 Billionen Euro schweres Finanzpaket aus dem EU-Haushaltsrahmen für die kommenden sieben Jahre und dem Corona-Hilfsfonds eingelegt. Ohne Lösung droht der EU ab Januar ein Nothaushalt mit drastischen Kürzungen. Auch der 750 Milliarden Euro schwere Hilfsfonds gegen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise könnte nicht wie geplant starten.

Die deutsche EU-Präsidentschaft sucht seit Wochen intensiv nach einer Lösung. Änderungen an dem bereits ausgehandelten Rechtsstaatsmechanismus galten wegen des Widerstands des Europaparlaments und mehrerer Mitgliedstaaten als ausgeschlossen. Deutschland einigte sich nun mit Ungarn und Polen darauf, dem Rechtsstaatsmechanismus eine "interpretative Erklärung" beizufügen.

Dieser Kompromiss wurde am Mittwochnachmittag den EU-Botschaftern aller Mitgliedstaaten in Brüssel präsentiert. Vor dem Gipfel werde er nun einer "vertieften Analyse" in den Hauptstädten unterzogen, sagte ein EU-Diplomat. Am Donnerstag sollten dann die Staats- und Regierungschefs entscheiden.

Der Text bekräftigt einerseits, dass der Rechtsstaatsmechanismus "fair, unparteiisch und auf Fakten basierend" angewendet werden soll und lediglich dem Schutz des EU-Haushaltes und der finanziellen Interessen der Union dient, etwa in Fällen von Korruption. Er soll aber nicht generell zur Ahndung von rechtsstaatlichen Defiziten eingesetzt werden kann, wegen derer Ungarn und Polen in der EU seit Jahren am Pranger stehen.

Zentrales Entgegenkommen an Warschau und Budapest ist, dass sich die Anwendung verzögern könnte. Dies wäre der Fall, wenn ein Land eine Nichtigkeitsklage gegen den gesamten Mechanismus beim Europäischen Gerichtshof einreicht. Dann dürfte Brüssel bis zu einem Urteil keine Entscheidung zur Kürzung von EU-Geldern treffen.

Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof können ein bis zwei Jahre dauern. Dies könnte bedeuten, dass der ungarische Regierungschef Viktor Orban bei einer entsprechenden Klage nicht fürchten muss, dass seinem Land vor der Parlamentswahl im Jahr 2022 EU-Gelder gekürzt werden.

Ungarns Justizministerin Judit Varga feierte auf Twitter einen "Sieg". Ihr Land habe "politische Erpressung verhindert". Der Deal sei "ein weiterer Triumph" für die ungarisch-polnische Freundschaft.

Ob die anderen EU-Staaten zustimmen, ist offen. Die meisten Länder unterstützten den Kompromiss, sagte ein weiterer EU-Diplomat. Die Niederlande, Dänemark und Belgien hätten aber noch Vorbehalte.

Der niederländische Außenminister Stef Blok bekräftigte, der vereinbarte Mechanismus sei "das Minimum". "Wir sind nicht bereit, den Text zu verwässern."

Gerade südliche EU-Länder wie Italien oder Spanien haben dagegen ein großes Interesse daran, dass die dringend benötigten Corona-Hilfen schnell fließen. Ein dritter EU-Diplomat bescheinigte der deutschen Ratspräsidentschaft am Mittwoch "sehr gute Arbeit". EU-Ratspräsident Charles Michel zeigte sich in seinem Einladungsschreiben zum Gipfel "zuversichtlich, dass wir uns auf ein gemeinsames Paket einigen können".

by Von Martin TRAUTH