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EU fordert "Korridore und Pausen" für humanitäre Hilfe im Gazastreifen

Nach stundenlangem Ringen haben sich die Staats- und Regierungschefs der EU auf eine gemeinsame Erklärung zum Nahost-Krieg geeinigt. Die Debatte der 27 Mitgliedsstaaten am Donnerstagabend in Brüssel kreiste lange um eine Formulierung, mit der die EU Unterbrechungen der Kämpfe zur humanitären Versorgung der Zivilbevölkerung im Gazastreifen fordern kann. Schließlich einigten sie sich darauf, zur Einrichtung von "Korridoren und Pausen zu humanitären Zwecken" aufzurufen.

Die Bundesregierung und weitere Länder hatten sich gegen Forderungen nach einer "Waffenruhe" gestellt und Israels Recht auf Selbstverteidigung unterstrichen. Die 27 Staats- und Regierungschefs betonen nun zudem "Israels Recht auf Selbstverteidigung im Einklang mit dem Völkerrecht und dem humanitären Völkerrecht". Der militant-islamistischen Palästinenserorganisation Hamas werfen sie vor, Zivilisten als "menschliche Schilde" zu nutzen.

Der weitere Text der Gipfelerklärung sieht vor, dass die EU "eng mit Partnern in der Region" arbeiten will, um Zivilisten zu beschützen und weitere Hilfe zu leisten. Dabei sei sicherzustellen, "dass diese Unterstützung nicht von terroristischen Organisationen missbraucht wird".

"Einigkeit ist unsere Stärke", erklärte EU-Ratspräsident Charles Michel im Kurznachrichtendienst X. Die Beratungen hatten sich lange zäh gestaltet. Länder wie Spanien und Irland forderten einen klareren Aufruf, die Kämpfe einzustellen, um humanitäre Hilfe für den Gazastreifen sicherzustellen. Besonders Deutschland und Österreich lehnten Begriffe wie "Feuerpause" oder "Waffenstillstand" jedoch strikt ab.

Es gehe "darum, dass wir gemeinsam nochmal deutlich machen, dass wir Israel unterstützen bei der Verteidigung des eigenen Landes gegen den furchtbaren Angriff der Hamas", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Die Hamas müsse bekämpft werden und die EU "dabei Israel bestmöglich unterstützen", sagte Österreichs Kanzler Karl Nehammer.

Scholz zeigte sich zudem überzeugt, dass die israelische Armee sich ans Völkerrecht halte. Daran habe er "keine Zweifel", denn "Israel ist ein demokratischer Staat mit sehr humanitären Prinzipien". Belgiens Regierungschef Alexander de Croo kritisierte hingegen Israel: Es gebe keine Rechtfertigung dafür, den humanitären Zugang zum Gazastreifen zu blockieren.

EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola warnte angesichts der Gewalt in Nahost vor einer neuen Migrationskrise. "Sollte sich der Konflikt ausbreiten, müssen wir über Flüchtlinge nachdenken, zum Beispiel syrische Flüchtlinge im Libanon", sagte sie. Ähnlich äußerte sich Zyperns Präsident Nikos Christodoulides. Der Libanon ist weltweit das Land mit den meisten Flüchtlingen pro Einwohner.

Bei dem zweitägigen Gipfeltreffen steht neben dem Krieg im Nahen Osten auch das Thema Ukraine auf dem Programm. Litauens Präsident Gitanas Nauseda forderte, den Krieg in Osteuropa nicht zu vergessen: "Meine Botschaft heute ist, die Ukraine weiterhin zu unterstützen, auch wenn wir andere Krisenherde und geopolitische Gründe haben."

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte in einer Videoansprache beim Gipfel einen raschen Start der Beitrittsgespräche mit seinem Land. Die EU-Kommission will am 8. November einen Vorschlag zum Beitrittsprozess der Ukraine und der anderen Kandidatenländer machen. Diplomaten rechnen mit einer möglichen Entscheidung der Mitgliedstaaten im Dezember. Der Start der Beitrittsgespräche erfordert einen einstimmigen Beschluss der 27 Mitglieder.

Einem Entwurf der Gipfelerklärung zufolge wollen die Staats- und Regierungschefs "die unverbrüchliche Unterstützung der Europäischen Union für die ukrainische Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Integrität" bekräftigen. Die Beratungen dazu sollten am späten Abend fortgesetzt werden.

pe/lob/ma