Die EU-Kommission hat den Druck auf Polen wegen der umstrittenen Justizreformen des Landes erhöht. Die Behörde drohte Warschau im Streit um eine Disziplinarkammer für Richter am Mittwoch mit einer Klage vor den Europäischen Gerichtshof. Sie gab der dortigen Regierung noch einen Monat Zeit, um die Kritikpunkte auszuräumen.
Die EU-Kommission hatte im April das Vertragsverletzungsverfahren zu der Disziplinarkammer am Obersten Gerichtshof eingeleitet. Deren Unparteilichkeit und Unabhängigkeit gegenüber der Politik ist aus Sicht Brüssels nicht gewährleistet. Die Kommission kritisiert insbesondere die Möglichkeit, die Immunität von Richtern aufzuheben, um diese strafrechtlich zu belangen oder in Haft zu nehmen.
Die bloße Aussicht auf Verfahren vor der Disziplinarkammer erzeuge "einen Abschreckungseffekt für Richter und kann ihre eigene Unabhängigkeit beeinträchtigen", kritisierte die Kommission nun. Sie forderte Warschau auf, bis Ende Februar "die notwendigen Maßnahmen zur Einhaltung des EU-Rechts zu ergreifen. Andernfalls könnte die Kommission den Fall an den Europäischen Gerichtshof verweisen."
Brüssel wirft der nationalkonservativen Regierung in Warschau seit Jahren vor, die Unabhängigkeit der Justiz und die Gewaltenteilung zu untergraben. Seit 2017 läuft ein Strafverfahren, das in letzter Instanz zum Verlust des Stimmrechts Polens auf EU-Ebene führen könnte. Beeindrucken ließ sich die polnische Regierung davon und von mehreren Vertragsverletzungsverfahren der Kommission bislang nicht.
by INA FASSBENDER