Wegen des brutalen Vorgehens der Behörden gegen friedliche Demonstranten in Belarus nimmt die EU nun auch Staatschef Alexander Lukaschenko persönlich ins Visier: Die EU-Außenminister hätten "das politische grüne Licht" für Sanktionen gegen Lukaschenko gegeben, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell nach einem Treffen der EU-Außenminister in Luxemburg am Montag. Die belarussische Polizei drohte derweil mit dem Einsatz von Schusswaffen gegen Demonstranten.
Die geplanten Sanktionen seien Folge "der vollkommen fehlenden Bereitschaft Lukaschenkos, Verhandlungen über eine demokratische und friedliche Lösung aufzunehmen", sagte Borrell. Er verwies zudem auf die "harte, unverhältnismäßige Antwort" der belarussischen Sicherheitskräfte auf die Proteste gegen den Präsidenten am Sonntag.
Borrell zufolge wird die EU auch die Zusammenarbeit mit der Regierung in Minsk und deren finanzielle Unterstützung weiter einschränken.
Seit der Präsidentschaftswahl vom 9. August sieht sich Lukaschenko Massenprotesten gegenüber. Die Opposition wirft dem seit 26 Jahren regierenden Staatschef Wahlbetrug vor.
Bislang setzten die belarussischen Sicherheitskräfte vor allem Wasserwerfer, Gummigeschosse, Knüppel und Blendgranaten gegen die friedlich demonstrierenden Menschen ein. Am Sonntag nahmen sie landesweit mehr als 700 Menschen fest, wie das Innenministerium mitteilte.
Am Montag setzten Sicherheitskräfte in Minsk Wasserwerfer und Blendgranaten gegen einen Demonstrationszug ein, an dem größtenteils Seniorinnen teilnahmen. Die Frauen hielten Plakate mit Aufschriften in die Höhe wie: "Die Großmütter stehen an der Seite des Volkes".
Die Opposition kritisierte das brutale Vorgehen gegen die friedlichen Demonstrantinnen scharf. "Heute hat das Regime erneut eine Grenze überschritten", erklärte die ins Exil nach Litauen geflohene Oppositionspolitikerin Swetlana Tichanowskaja.
Laut der zentralen Wahlkommission in Minsk war Tichanowskaja bei der Präsidentschaftswahl am 9. August auf lediglich rund zehn Prozent der Stimmen gekommen; Lukaschenko gewann die Abstimmung demnach mit rund 80 Prozent der Stimmen. Die EU bezeichnete die Wahlen als weder frei noch fair. Lukaschenko fehle damit "jegliche demokratische Legitimität", bekräftigten die Außenminister am Montag. Sie unterstützten erneut die Forderung der Opposition nach Neuwahlen.
Bislang hat die EU Sanktionen gegen 40 Verantwortliche in Belarus verhängt. Unter ihnen sind Innenminister Juri Karaeu, Mitglieder der staatlichen Wahlkommission, des Geheimdienstes KGB sowie der Spezialeinheiten Omon und SOBR. Betroffene wurden mit Einreisesperren belegt und ihre möglichen Konten in der EU eingefroren.
Die Lage habe sich in den vergangenen Wochen nicht verbessert, sagte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) zu Beginn des Ministertreffens. "Die Gewalt geht weiter, die ausgeübt wird vom Lukaschenko-Regime." Er habe deshalb vorgeschlagen, "ein neues Sanktionspaket auf den Weg zu bringen", das auch Lukaschenko einbeziehe.
Die EU sei "bereit, weitere restriktive Maßnahmen zu ergreifen, darunter gegen Institutionen und hochrangige Beamte, einschließlich A. Lukaschenko", hieß es dann in einer Erklärung der Minister. Ohne eine Kehrtwende Lukaschenkos werde dies nun in den zuständigen EU-Gremien umgesetzt, sagte ein Diplomat. Nach AFP-Informationen sollen auch Familienmitglieder Lukaschenkos und Richter auf die EU-Sanktionsliste gesetzt werden.
Nach der Ankündigung der EU drohten die belarussischen Behörden mit einem noch härteren Vorgehen gegen die Proteste. Die Sicherheitskräfte würden den Demonstranten in den Straßen nicht weichen "und wenn nötig spezielle Ausrüstung und tödliche Waffen einsetzen", hieß es in einer im Messengerdienst Telegram veröffentlichten Erklärung des Innenministeriums in Minsk.
by STRINGER