Zum Auftakt ihrer bundesweiten Protestwoche haben sich zahlreiche Landwirte vor dem Brandenburger Tor in Berlin versammelt. Dutzende Traktoren trafen dort im Laufe des Sonntagabends ein, um an der für Montag geplanten Kundgebung vor dem Wahrzeichen der Hauptstadt teilzunehmen. Zusammen mit dem Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) will der Deutsche Bauernverband gegen die Politik der Bundesregierung protestieren. Polizei und Behörden rechnen mit massiven Beeinträchtigungen des Straßenverkehrs.
Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, bat um Nachsicht für mögliche Beeinträchtigungen aufgrund der Proteste. "Wir wollen unseren Protest friedlich und mit demokratischen Mitteln durchführen", sagte Rukwied dem Magazin "Stern". "Wenn wir mit Traktoren unterwegs sind, wird es aber zwangsläufig zu Verkehrsbehinderungen kommen", fügte er hinzu. "Wir bitten die Bevölkerung um Verständnis. Den großen Rückhalt und die Solidarität, die wir aus weiten Teilen der Gesellschaft erhalten, wollen wir nicht verlieren."
Die Aktionswoche solle verdeutlichen, dass "wir die geplanten Steuererhöhungen für die Landwirtschaft nicht hinnehmen werden", sagte Rukwied. "Diese müssen vom Tisch. Dabei bleiben wir."
Erste Blockadeaktionen gab es schon am Sonntagabend. In Sachsen versperrten mehrere Traktorfahrer Berichten zufolge nahe Görlitz die Auffahrt zur A4. Im niedersächsischen Lingen blockieren dutzende Landwirte mit ihren Traktoren die Zufahrt zum Aldi-Zentrallager. Am späten Sonntagabend zogen die Demonstranten sich nach Polizeiangaben wieder zurück.
Im Landkreis Friesland fällt am Montag wegen der angekündigten Protestaktionen der Präsenzunterricht an allen allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen aus. Von den er erwartenden Verkehrsbehinderungen sei auch der Schülertransport betroffen, teilte der Landkreis zur Begründung mit.
Entzündet hatte sich die Wut der Landwirte an geplanten Kürzungen der Subventionen für die Branche im Zuge der Haushaltskrise. Die Bundesregierung hat die Pläne mittlerweile wieder weitgehend einkassiert, der Deutsche Bauernverband hielt aber an den angekündigten Aktionen fest. Die Transportbranche wehrt sich gegen Mehrbelastungen unter anderem durch die CO2-Bepreisung. Befürchtet wird eine zunehmende Radikalisierung und Unterwanderung der Proteste durch extremistische Gruppen.
Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke, rief die Teilnehmer der Proteste zur Friedfertigkeit auf. "In Anbetracht der zu erwartenden Massen an Protestierenden, wird die Polizei sehr schnell, sehr stark flexibel in Deutschland agieren müssen. Dafür ist sie aber nicht ausreichend aufgestellt", sagte Kopelke den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Wir appellieren daher an die Friedlichkeit und Sensibilität der Teilnehmerinnen und Teilnehmer und insbesondere an die verantwortlichen Versammlungsleiter."
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert rief die Bauern dazu auf, die demokratischen Spielregeln einzuhalten: "Demokratischer Protest lässt sich einfach erkennen: Er zeigt Respekt vor anderen Meinungen, verzichtet auf Gewalt oder deren Androhung und er ist bereit zum Kompromiss", sagte Kühnert der "Augsburger Allgemeinen". "Wer das beherzigt, der muss politisch angehört werden. Wer dazu nicht in der Lage ist, dem sollte im Interesse der Sache und unserer Demokratie keine Bühne geboten werden."
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU), der die Anliegen der Bauern grundsätzlich unterstützt, kündigte ein konsequentes Vorgehen der Polizei gegen unangemeldete Verkehrsblockaden an. "Soweit einzelne Landwirte und Gruppierungen in den Sozialen Medien dazu aufrufen, ihre Versammlungen nicht anzuzeigen und Verkehrsknotenpunkte mit ihren Traktoren gezielt zu blockieren, werden wir dies nicht tolerieren", sagte der CSU-Politiker.
Der Parlamentarische Staatssekretär im Verkehrsministerium, Michael Theurer (FDP), warnte dagegen vor einer Vorverurteilung der Bauern-Proteste: "Die Bauern-Demos, die ich erlebt habe, waren friedlich und diszipliniert", sagte Theurer.
Der CSU-Bundestagsabgeordnete Volker Ullrich warnte derweil vor einer Unterwanderung der Bauernproteste durch Extremisten von außen. "Wer wie die Querdenker versucht, diese Proteste zu unterwandern, der will nicht die Anliegen der Bauern vertreten, sondern der verfolgt eine Agenda der Polarisierung", sagte er. "Konkrete Versuche vor allem via Telegram, Proteste zu unterwandern, sehe ich mit Sorge."
bfi