Der erneute Wahlsieg des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ist in Deutschland auf durchwachsene Reaktionen gestoßen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gratulierten Erdogan und betonten die Bedeutung der deutsch-türkischen Zusammenarbeit. Es gab aber auch kritische Töne. Anhänger Erdogans in Deutschland feierten hierzulande in mehreren Städten.
Steinmeier betonte in seinem Glückwunschschreiben an Erdogan die Bedeutung der beidseitigen Zusammenarbeit. "Angesichts der besonders engen menschlichen, wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen unseren Ländern kommt dem deutsch-türkischen Verhältnis ganz besondere Bedeutung zu", schrieb Steinmeier in Berlin. Er wünsche Erdogan "bei Ihrer Amtsführung eine glückliche Hand".
Auch Scholz betonte auf Twitter, Deutschland und die Türkei seien "enge Partner und Alliierte". Auch gesellschaftlich und wirtschaftlich gebe es enge Verbindungen. "Nun wollen wir unsere gemeinsamen Themen mit frischem Elan vorantreiben", kündigte der Kanzler an.
In Deutschland trafen sich Anhänger Erdogans nach den Nachrichten von dessen Sieg in etlichen deutschen Städten zu Jubelfeiern und Autokorsos. Versammlungen mit jeweils mehreren hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmern vermeldete die Polizei etwa aus Berlin sowie Düsseldorf, Dortmund und Gelsenkirchen in Nordrhein-Westfalen sowie Mannheim in Baden-Württemberg.
Laut Polizei kam es dabei wiederholt zu Verkehrsbehinderungen, meistens blieben die Feiern jedoch friedlich. In Mannheim kam es laut Polizei zu auch körperlichen Auseinandersetzungen zwischen Teilnehmern eines Autokorsos sowie Passanten sowie zu einzelnen Angriffen auf Einsatzkräfte.
Der Grünen-Politiker Cem Özdemir kritisierte die Jubelfeiern. Diese seien "eine nicht zu überhörende Absage an unsere pluralistische Demokratie", schrieb der Bundeslandwirtschaftsminister auf Twitter. Gefeiert hätten hier Menschen, die nicht "für die Folgen ihrer Wahl einstehen müssen". In Deutschland bestehe nun die Gefahr, "dass Ultranationalismus und Fundamentalismus noch stärker durch neue Imame aus Ankara hierzulande verbreitet werden".
Der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt schloss nicht aus, dass Erdogan nach seinem Erfolg einen versöhnlicheren Kurs einschlagen könnte. Dieser könnte "zu dem Schluss kommen, dass die großen wirtschaftlichen Probleme seines Landes nur gemeinsam mit der EU und Deutschland zu lösen sind", sagte Hardt der Nachrichtenagentur AFP. Die Bundesregierung ihrerseits müsse der Türkei signalisieren, dass sie bereit sei, dem Land "aus der schwierigen wirtschaftlichen Lage herauszuhelfen" - dass sie im Gegenzug aber auch eine Europa- und Deutschland-freundliche türkische Politik erwarte.
Der Grünen-Außenpolitiker Max Lucks wertete das Wahlergebnis als "einen harten Rückschlag für die demokratische Opposition". Die Bundesregierung forderte Lucks zu einem Ende der "Türkeipolitik der strategischen Rücksichtnahme" auf. Einen kritischen Kurs gegenüber Erdogan forderte auch der frühere deutsche Botschafter in der Türkei, Martin Erdmann. "Wir müssen die Frage stellen, was können wir tun, um die freiheitlichen Kräfte in der Türkei zu stärken", sagte er dem Sender Phoenix.
Die Linken-Politikerin Cansu Özdemir verwies auf Wahlmanipulationen und die Behinderung der Opposition im Wahlkampf. "Es war keine demokratische Wahl", schrieb sie auf Twitter.
Der CSU-Europapolitiker Manfred Weber forderte ein Ende des Prozesses zum EU-Beitritt der Türkei. Enge Beziehungen seien wichtig, aber eine Vollmitgliedschaft wolle "niemand mehr", "weder die Türkei noch die EU".
Der SPD-Außenpolitiker Nils Schmid wies dies zurück. "Ein Abbruch des EU-Beitrittsprozesses wäre ein Schlag ins Gesicht der Opposition und aller derer, die darauf setzen, irgendwann wieder in einer demokratischeren Türkei leben zu können", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Allerdings liege der Beitrittsprozess auf Eis, solange es in der Türkei "keine Fortschritte bei Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gibt".
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