Mehr als 35 Jahre nach der Tat hat das Landgericht Frankfurt am Main eine 76-Jährige wegen eines Sektenmordes an einem Vierjährigen erneut zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Frau den Jungen im August 1988 vollständig in einen Leinensack eingeschnürt und im Badezimmer abgelegt hatte, wie das Landgericht am Mittwoch mitteilte.
Sie habe das Kind als besessen angesehen und deswegen den Beschluss gefasst, es zu töten. Die heute 76-Jährige war nach Ansicht des Gerichts die Anführerin der Sekte. Obwohl es am Tattag draußen 32 Grad Celsius heiß war, verringerte die Angeklagte die Luftzufuhr des Raums absichtlich und überließ das Kind in dem Sack sich selbst. Kurz darauf starb der Junge.
Der Fall und der Prozess haben eine lange Geschichte: Er kam erst nach vielen Jahren durch Medienrecherchen überhaupt ans Licht. Im September 2020 verurteilte das Landgericht Hanau die heute 76-Jährige wegen Mordes zu lebenslanger Haft. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil gegen sie im Mai 2022 jedoch wegen eines Rechtsfehlers auf und verwies das Verfahren nach Frankfurt.
Laut den Karlsruher Richtern hatte sich das Landgericht nicht eingehend damit befasst, ob es sich bei dem Fall um eine Tötung durch aktives Tun oder durch Unterlassen gehandelt hatte. Zudem musste die Schuldfähigkeit der Frau erneut überprüft werden.
Im September 2020 wurde die Mutter des Jungen wegen des Verdachts der Mittäterschaft festgenommen. Das Landgericht Hanau sprach sie im Oktober 2022 aus Mangel an Beweisen aber frei. Die Anklage hatte ihr vorgeworfen, ihren körperlich und seelisch vernachlässigten Sohn getötet zu haben, indem sie ihn in dem über dem Kopf zugeschnürten Sack zum Mittagsschlaf legte und der Obhut der Sektenanführerin überließ.
Zur Begründung für den Freispruch führte die Kammer aus, dass nicht mit der nötigen Sicherheit festgestellt werden konnte, dass die Mutter den Sack zugeschnürt hatte. Ein alternativer Tathergang sei möglich.
So sei es denkbar, dass die Sektenanführerin den Sack über dem Kopf des Kinds verschnürt habe. Auch habe die Mutter nichts von einer möglichen Tat der Anführerin gewusst. Daher sei auch ein gemeinschaftlich begangener Mord nicht bewiesen.
ald/cfm