Die Neuregelung zur Besetzung von Richterstellen an Polens Oberstem Gericht kann gegen EU-Recht verstoßen. Ob das im konkreten Fall so ist, muss das nationale Gericht beurteilen, wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Dienstag in Luxemburg entschied. In dem verfahren ging es um die Unabhängigkeit der Justiz und die umstrittenen Reformen in Polen. (C-828/18)
Hohe Richter werden in Polen vom Landesjustizrat bestimmt, dessen Mitglieder wiederum werden seit 2017 vom Parlament gewählt. Fünf in einem Verfahren von 2018 erfolglose Bewerber klagten vor dem Obersten Verwaltungsgericht des Landes. Dieses setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH Fragen vor.
Nach einer weiteren Gesetzesänderung vom April 2019 kann die Richterauswahl nicht mehr durch ein unabhängiges Gericht überprüft werden. Damit wurde de facto auch dem Obersten Verwaltungsgericht die Zuständigkeit entzogen und die Möglichkeit genommen, eine Antwort auf die Fragen an den EuGH zu erhalten. Darum fragte es ergänzend, ob dies mit dem EU-Recht zu vereinbaren sei.
Sollten die Reformen die Wirkung haben, dass ein polnisches Gericht dem EuGH keine Fragen mehr vorlegen könne und der EuGH solche Fragen nicht mehr beantworten könne, verstoße dies gegen Unionsrecht, entschied der EuGH. Das polnische Gericht müsse unter Berücksichtigung des Kontexts beurteilen, ob dies der Fall sei.
Gesetzesänderungen dürften wirksamen Rechtsschutz nicht verhindern. Dies sei der Fall, wenn bei Bürgern berechtigte Zweifel an der Neutralität der Justiz aufkommen könnten. Auch dies müsse im aktuellen Fall das polnische Gericht entscheiden. Sollte es dabei zu dem Schluss kommen, dass ein Verstoß vorliege, habe das EU-Recht Vorrang. In dem Fall dürfe das Gericht die neuen Regelungen nicht anwenden.
Bereits im April 2018 hatte der EuGH die Arbeit der 2018 neu aufgestellten polnischen Disziplinarkammer für Richter bis auf Weiteres ausgesetzt. Die EU-Kommission droht Polen hier mit einer weiteren Klage.
by INA FASSBENDER