In Österreich gerät Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wegen einer neuen Korruptionsaffäre massiv unter Druck: Die Staatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität in Wien leitete Ermittlungen gegen den konservativen Regierungschef und eine ganze Reihe weiterer Beschuldigter wegen des Verdachts der Untreu, Bestechlichkeit und Bestechung ein, wie sie am Mittwoch mitteilte. Das Kanzleramt, das Finanzministerium und unter anderem die Zentrale der Regierungspartei ÖVP wurden durchsucht. In dem Fall geht es um den Vorwurf gekaufter Berichterstattung zugunsten von Kurz.
Steuermittel aus dem Finanzministerium sollen für "parteipolitisch motivierte, mitunter manipulierte Umfragen" verwendet worden sein, über die dann in der Boulevard-Zeitung "Österreich" und anderen Medien der Gruppe berichtet worden sein soll, um Kurz politische Vorteile zu verschaffen. Im Gegenzug soll das Ministerium in dem Blatt lukrative Anzeigen geschaltet haben. Dies soll zwischen 2016 und zumindest 2018 der Fall gewesen sein, wie die Staatsanwaltschaft weiter mitteilte.
Die Vorwürfe beziehen sich nach Angaben der österreichischen Nachrichtenagentur APA zum Großteil auf die Zeit bevor Kurz im Jahr 2017 ÖVP-Chef und dann Kanzler wurde.
Kurz sprach von "konstruierten Vorwürfen" wie schon in früheren Fällen. "Ich bin davon überzeugt, dass sich auch diese Vorwürfe schon bald als falsch herausstellen werden", erklärte er.
Ermittelt wird neben Kurz gegen neun weitere Beschuldigte, darunter enge Mitarbeiter von Kurz. Nach Angaben von APA gab es Durchsuchungen unter anderem bei Kurz' Sprecher Johannes Frischmann, dem Medienbeauftragten Gerald Fleischmann und einem ÖVP-Berater. Ermittelt wird laut Staatsanwaltschaft auch gegen drei Organisationen. Dabei soll es sich laut APA unter anderem um die Regierungspartei ÖVP und die "Österreich"-Mediengruppe handeln.
Den Vorwürfen zufolge sollen die Umfragen, die Kurz' Karriere dienlich waren, über Scheinrechnungen aus Steuergeldern finanziert und in der Zeitung "Österreich" veröffentlicht worden sein. Im Gegenzug soll das Finanzministerium laut Medienberichten in dem Blatt lukrative Anzeigen geschaltet und bezahlt haben.
Gegen Kurz laufen bereits Ermittlungen wegen des Verdachts der Falschaussage vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur sogenannten Ibiza-Affäre. Die Ibiza-Affäre hatte im Mai 2019 ein politisches Erdbeben in Österreich ausgelöst, zum Bruch der Regierungskoalition zwischen Kurz' ÖVP und der rechtspopulistischen FPÖ sowie zu vorgezogenen Neuwahlen geführt. Seit Januar 2020 regiert die ÖVP in einer Koalition mit den Grünen.
Hintergrund war damals ein heimlich auf Ibiza gedrehtes Enthüllungsvideo, das zeigt, wie der damalige FPÖ-Chef und spätere Vizekanzler Heinz-Christian Strache vor der Parlamentswahl 2017 einer vermeintlichen russischen Oligarchen-Nichte im Gegenzug für Wahlkampfhilfe Staatsaufträge in Aussicht stellt.
ÖVP-Vize-Generalsekretärin Gaby Schwarz nannte die Polizei-Razzia bei der Partei am Mittwoch einen "Showeffekt". Die ÖVP erklärte auch, die Vorwürfen seien im Zusammenhang mit Ereignisse konstruiert worden, die bis zu fünf Jahre zurücklägen. Die Mediengruppe "Österreich" wies die Vorwürfe zurück.
Finanzminister Gernot Blümel räumte ein, dass es auch in seinem Hause Durchsuchungen gegeben habe, doch betreffe die Razzia weder ihn persönlich noch seine Amtszeit. Blümels Ministerium war bereits im Februar wegen des Verdachts der Korruption und Bestechlichkeit in einem anderen Fall durchsucht worden.
Die Grünen gaben vorerst keine Bewertung der Vorgänge ab. Vize-Kanzler Werner Kogler wies allerdings die ÖVP-Aussage zurück, die Durchsuchungen seien nur "Show". Eine Beeinträchtigung der Handlungsfähigkeit der Regierungskoalition sah er jedoch nicht.
Die oppositionellen Sozialdemokraten von der SPÖ hielten der Partei von Kurz vor, ihr "Kartenhaus" würde nun einstürzen. Auch sie attackierten die ÖVP wegen ihrer Angriffe auf das Vorgehen der Justiz.
by Von Jastinder KHERA