Fünf Tage nach den tödlichen Schüssen eines 15-Jährigen auf einen Gleichaltrigen in einer Schule in Offenburg haben die Ermittlerinnen und Ermittler in der baden-württembergischen Stadt weitere Details bekannt gegeben. Es werde auch gegen die Eltern des Tatverdächtigen ermittelt, sagte Oberstaatsanwalt Martin Seifert am Dienstag. Der 15-Jährige habe die Tatwaffe offenbar im häuslichen Umfeld an sich genommen.
Woher die halbautomatische Pistole ursprünglich stammt, ist demnach noch ungeklärt. Beide Eltern hätten aber keine Berechtigung dafür, eine solche Waffe im Haus zu haben. Gegen sie wurde ein Ermittlungsverfahren wegen des Anfangsverdachts der fahrlässigen Tötung eingeleitet. Zudem besteht Seifert zufolge der Anfangsverdacht einer Verletzung der Sorgfaltspflicht im Umgang mit Waffen und einer möglichen Verletzung der Aufsichtspflicht.
Das Motiv der 15 Jahre alten Tatverdächtigen ist ebenfalls nach wie vor unklar. Die Leiterin der Staatsanwaltschaft, Iris Janke, sagte, dass er bislang nichts über die Tatvorwürfe gesagt habe. Es sei immer von einem "multikausalen Motiv" auszugehen, das sowohl durch äußere Umstände als auch durch die Psyche des Verdächtigen beeinflusst werde.
Da es um ein Jugendstrafverfahren geht, konnten die Ermittlerinnen und Ermittler keine weiteren Einzelheiten nennen. Seifert teilte aber mit, dass handschriftliche Aufzeichnungen gefunden worden seien, die Pläne und Namen skizzierten. Am Freitag hatte es geheißen, dass ein persönliches Motiv Hintergrund der Tat sei.
Der Verdächtige sitzt Janke zufolge in Untersuchungshaft in einer Justizvollzugsanstalt, die auf Jugendliche spezialisiert ist. Es werde wegen Totschlags gegen ihn ermittelt, der Vorwurf könne aber noch verändert werden.
Der Leitende Kriminaldirektor Raoul Hackenjos beschrieb, wie sich die Tat nach bisherigem Erkenntnisstand zugetragen hatte. Demnach wurde der Tatverdächtige am Mittwoch bei der Schule krank gemeldet. Am Donnerstag sei er in sein Klassenzimmer im zweiten Stock gegangen, wo sich zu dem Zeitpunkt neun Jugendliche und zwei Lehrerinnen aufhielten.
Er habe dem Opfer, einem Mitschüler, aus nächster Nähe zweimal in den Kopf geschossen. Dann habe er versucht, einen selbstgebauten Molotowcocktail zu entzünden. Das sei aber misslungen. Er habe das Klassenzimmer verlassen. Eine Lehrerin habe sich um den Schwerverletzten gekümmert, die andere die Klasse in ein angrenzendes Zimmer gebracht. Die Lehrerinnen hätten die Türen verschlossen.
Im Flur habe der Tatverdächtige eine weitere Lehrerin getroffen und auf den Kopf geschlagen. Dann habe er gegen die verschlossene Tür des Klassenzimmers getreten und auch einmal darauf geschossen. Ob es weitere Schüsse gegeben habe, werde noch ermittelt.
Hackenjos sagte weiter, dass der 15-Jährige dann im Treppenhaus die Schulleiterin getroffen habe. Er habe den Brandsatz in ihre Richtung geworfen. Dieser sei zerbrochen. Auf dem Weg in Richtung Ausgang sei der Tatverdächtige auf den zufällig anwesenden Vater anderer Schüler getroffen. Der Mann habe ihn "vehement" aufgefordert, die Waffe wegzulegen, was der mutmaßliche Schütze auch getan habe.
Der Vater habe ihn dann so lange festgehalten, bis die Polizei eintraf. Sowohl dem Mann als auch den Lehrerinnen und der Schulleitung sprach Polizeichef Jürgen Rieger ein Lob aus. Sie hätten sich an alle Regeln gehalten. Der Einsatz sei reibungslos gelaufen.
Die Staatsanwaltschaft will nun einen jugendpsychiatrischen Gutachter beauftragen, der herausfinden soll, ob der 15-Jährige seinem Alter gemäß entwickelt ist und ob er sich womöglich während der Tat in einem psychopathologischen Zustand befand. Zudem sollen zahlreiche Spuren ausgewertet werden.
smb/cfm