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Entscheidung des Verfassungsrats über Rentenreform in Frankreich mit Spannung erwartet

Kurz vor der erwarteten Entscheidung des französischen Verfassungsrates über die Rentenreform haben Sicherheitskräfte mit Blick auf mögliche Ausschreitungen das Gebäude am Freitag weitgehend abgesperrt. Das benachbarte Schauspielhaus Comédie Française sagte seine Abendvorstellungen ab. Präsident Emmanuel Macron wollte am Nachmittag mit mehreren Regierungsmitgliedern über das weitere Vorgehen beraten. 

Der Verfassungsrat will seine Entscheidung gegen 18.00 Uhr bekanntgeben. Erklärt dieses Gericht, das zugleich Beratungsgremium der Regierung ist, das Gesetz für verfassungskonform, muss Präsident Emmanuel Macron es innerhalb von zwei Wochen unterzeichnen, um es in Kraft zu setzen. 

In diesem Fall ist mit erneuten Protesten der Reformgegner zu rechnen. Seit der Verabschiedung des Gesetzes durch einen legalen Verfassungskniff hatten sich die Proteste weiter radikalisiert. Zugleich waren die Sicherheitskräfte wegen ihres brutalen Vorgehens in die Kritik geraten.

Als wahrscheinlich gilt, dass der Verfassungsrat Nachbesserungen in einzelnen Punkten fordert. Er könnte beispielsweise argumentieren, dass die sozialen Begleitmaßnahmen etwa zur Förderung der Beschäftigung von Senioren nichts im Haushalt der Sozialversicherung zu suchen haben. Die Regierung hatte die Rentenreform in das Haushaltsgesetz hineingeschrieben, was die Debattenzeit im Parlament verkürzt hatte. 

Macron hat bereits angekündigt, nach der Entscheidung des Verfassungsrats erneut den Kontakt zu den Gewerkschaften zu suchen. Dabei setzt die Regierung eher auf die gemäßigte CFDT als auf die CGT. Deren neue Chefin Sophie Binet hatte auf das Gesprächsangebot mit "LOL" geantwortet, übersetzt "ich lache mich kaputt". 

Bei erneuten Verhandlungen könnte die Regierung etwa anbieten, die sozialen Maßnahmen auszubauen und in einem weiteren Arbeitsgesetz auf den Weg zu bringen. 

Da die Wut vieler Reformgegner sich aber gegen den Kernpunkt der Reform richtet, nämlich die Anhebung des Rentenalters von 62 auf 64 Jahre, könnte der Protest dennoch wieder aufflammen. Die Gewerkschaften haben bereits zu einem Versammlung vor dem Pariser Rathaus ab 17.00 Uhr aufgerufen und wollen auch im Fall einer positiven Entscheidung des Verfassungsrates weiter protestieren. "Die Menschen demonstrieren nicht, weil das Gesetz gegen die Verfassung verstößt, sondern weil es ungerecht ist", betonte die Fraktionsvorsitzende der linkspopulistischen Partei LFI, Mathilde Panot. 

Für den eher unwahrscheinlichen Fall, dass der Verfassungsrat das Gesetz komplett ablehnt, würde es vermutlich eine Jubelfeier auf den Straßen geben. Es wäre ein herber Rückschlag für Macron, der die Reform zu einem Hauptanliegen seiner zweiten Amtszeit erklärt hatte. 

Der Verfassungsrat wird sich auch zu einem Antrag der linksgerichteten Opposition äußern, die einen Volksentscheid über die Rentenreform fordert. Sollte der Rat dem zustimmen, wäre dies der Beginn einer langen Prozedur, bevor es tatsächlich zu einem Referendum käme. Im nächsten Schritt müssten 4,8 Millionen Unterschriften gesammelt werden. 

Mit der Reform soll das Renteneintrittsalter bis 2030 schrittweise von 62 auf 64 Jahre angehoben werden. Dabei sind weiterhin Ausnahmen für Menschen vorgesehen, die sehr früh ins Berufsleben gestartet sind oder besonders beschwerliche Berufe haben. Zudem wird die Mindestrente bei voller Beitragszeit auf 1200 Euro angehoben. Mehr als zwei Drittel der Franzosen lehnen die Rentenreform ab. 

kol/gt