Der engste Berater des ukrainischen Staatschefs Wolodymyr Selenskyj ist Ziel eines Mordversuchs geworden. Das Auto von Sergej Schefir sei am Mittwochvormittag nahe dem Ort Lesniki von Unbekannten unter Beschuss genommen worden, teilte ein Berater von Innenminister Anton Geraschtschenko auf Facebook mit. Die ukrainische Polizei geht von einem politischen Hintergrund aus. Präsident Selenskyj kündigte in einer Videobotschaft eine "starke Reaktion" an.
Durch die Schüsse aus automatischen Waffen wurde den Angaben zufolge der Fahrer von Schefirs Wagen schwer verletzt, er schwebte jedoch nicht in Lebensgefahr. Schefir selbst sei wohlauf, sagte ein Abgeordneter von Selenskyjs Partei Diener des Volkes der russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti. "Ich habe mit ihm kurz gesprochen, alles ist gut, er ist am Leben und wohlauf", erklärte der Parlamentarier. Schefir trat später selbst vor die Presse.
Auf Fotos ukrainischer Behörden war das Fahrzeug Schefirs mit zahlreichen Einschusslöchern auf der Fahrerseite zu sehen. "Unbekannte haben rund zehn Kugeln aus einer automatischen Waffe abgegeben", teilte Generalstaatsanwältin Irina Wenediktowa bei Facebook mit. Es seien Ermittlungen wegen versuchten Mordes eingeleitet worden.
Die Ermittler gehen von einem politischen Tatmotiv aus. Der Anschlag sei womöglich wegen Schefirs Arbeit, zum Ausüben von Druck auf die ukrainische Führung oder zur Destabilisierung der politischen Lage im Land verübt worden, sagte der ukrainische Polizeichef Igor Klymenko vor Journalisten. In letzteren Fall sei eine "Beteiligung ausländischer Spezialkräfte" an dem Anschlag denkbar.
Präsident Selenskyj verurteilte den Angriff in einer Video-Botschaft aus New York, wo er sich derzeit bei der UN-Generalversammlung aufhält. "Hallo zu sagen, indem aus dem Wald auf das Auto meines Freundes geschossen wird, ist schwach", sagte der Staatschef. Die Reaktion werde "stark" sein.
"Das beeinflusst nicht den Kurs, den ich mit meinem Team eingeschlagen habe: hin zu Wandel und zur Beseitigung der Schattenseiten unserer Wirtschaft", fügte Selenskyj hinzu. Er wolle weiter gegen Kriminelle und "einflussreiche Finanzgruppen" vorgehen.
In diesem Sinne äußerte sich auch Schefir selbst. Der Präsident lasse sich durch solch eine Tat nicht einschüchtern, sagte der Präsidentenberater. Selenskyj sei "eine Person mit einem starken Willen"; der Präsident habe "den rechten Weg gewählt" und werde diesen weiter verfolgen.
Der frühere Schauspieler und Komiker war 2019 an die Staatsspitze gekommen, nachdem er mit einem ehrgeizigen Anti-Korruptionsprogramm Wahlkampf betrieben hatte. Auch unter dem Druck westlicher Staaten hatte seine Regierung in diesem Jahr die Erstellung eines "Oligarchen-Registers" forciert, eine Liste mit den einflussreichsten Persönlichkeiten des Landes. Bisher wurden jedoch noch keine Namen bekanntgegeben.
Der 57-jährige Schefir stammt wie Selenskyj aus der Industriestadt Krywy Rig. Er fungierte als Produzent der Fernsehserie "Diener des Volkes", in der der spätere Staatschef einen Lehrer spielte, der unverhofft zum Präsidenten wird. In den vergangenen Jahren waren in der Ukraine mehrere Attentate auf Politiker und Journalisten verübt worden.
by Von Olga SHYLENKO