Alle Schüler in Deutschland sollen noch vor den Sommerferien zumindest zeitweise in die Schulen zurück können. Der Schulbesuch solle tage- oder wochenweise möglich werden, sagte die Vorsitzende der Kultusministerkonferenz, die rheinland-pfälzische Kultusministerin Stefanie Hubig (SPD), am Dienstag in Mainz. Einen regulären Unterricht werde es im laufenden Schuljahr aber nicht mehr geben.
Die Kultusminister der Länder einigten sich laut Hubig auf dieses Vorgehen. Ihr "Rahmenkonzept für die Wiederaufnahme von Unterricht in Schulen" sollen nun die Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beraten. Wie Hubig sagte, wird es in den Bundesländern aber unterschiedliche Vorgehensweisen geben.
Hubig sagte, maßgeblich für das Vorgehen an den Schulen werde sein, wie sich das Infektionsgeschehen entwickle. Ob die Schüler einzelne Tage oder wochenweise in die Schulen zurückkehrten, werde jedes Land für sich entscheiden. Es gebe unterschiedliche örtliche Gegebenheiten. Für Schüler mit einem Gesundheitsrisiko gebe es keine Präsenzpflicht - dasselbe gelte für Lehrer.
Nach einer Erklärung der Kultusministerkonferenz sollen sich Präsenzunterricht in der Schule und das Lernen zu Hause abwechseln und eng aufeinander abgestimmt werden. Die weiteren schrittweisen Öffnungen der Schulen sollen grundsätzlich in Jahrgangsstufen oder Lerngruppen erfolgen. Schülern mit einem Unterstützungsbedarf sollten pädagogische Präsenzangebote gemacht werden. Bei Bedarf sollten Schüler auch mit digitalen Endgeräten ausgestattet werden.
Das Konzept enthält Bedingungen unter anderem zur Hygiene an Schulen, zur Schülerbeförderung sowie zur Organisation von Unterricht. Auch gehe es um die Notbetreuung. Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) sagte, die Notbetreuung solle auch in den Sommerferien angeboten werden.
Piazolo sagte, die Wiederaufnahme des Unterrichts für alle Schüler sei ein "komplexer Vorgang". Für Bayern fasste er Pfingsten als Ziel für di Rückkehr aller Schüler in die Schulen ins Auge. Piazolo sagte, die Herausforderung liege im Infektionsschutz. Weil die Lerngruppen deutlich verkleinert werden müssten, gebe es etwa doppelt so viele Klassen - gleichzeitig stünden aber wegen des Gesundheitsschutzes weniger Lehrer zur Verfügung. Deshalb könne nicht mehr der gesamte Lernstoff vermittelt werden.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) verlangte einen Vorrang für benachteiligte Schüler beim Präsenzunterricht. Da ohnehin nicht alle Schüler zeitnah wieder zur Schule gehen könnten, "sollte der Aspekt der Bildungsgerechtigkeit in den Mittelpunkt gestellt werden", sagte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack der Nachrichtenagentur AFP. Schüler ohne Computer und Rückzugsräume "sollten Präsenzangebote erhalten – und zwar unabhängig von der Frage, welche Klassenstufe sie besuchen".
In Berlin kündigte Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD) an, für benachteiligte Schüler eigenständige Präsenzangebote zu schaffen. "Mir ist wichtig, dass wir in der Corona-Krise die Schülerinnen und Schüler im Blick behalten, die es besonders schwer haben, zu Hause zu lernen", erklärte Scheeres. Pädagogische Präsenzangebote für diese Schüler seien aus ihrer Sicht wichtiger, als alle Kinder vor dem Sommer komplett an die Schule zu holen.
Der Vorsitzende des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, plädierte beim Unterricht in Schichten für einen wochenweisen Wechsel zwischen Unterrichten in der Schule und Lernen zu Hause. Dies sei am besten organisierbar und auch pädagogisch sinnvoll. Außerhalb der Unterrichtsräume solle auch eine Maskenpflicht gelten.
Die Vorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW, Marlis Tepe,bemängelte, dass die Kultusminister den Schwerpunkt weiter auf Prüfungen, Leistungsbeurteilung und das Einhalten von Stoffplänen legten. Dies sei besonders bei Berufsschulen problematisch. Dort gehörten bis zu 80 Prozent der Schüler zu solchen Klassen - "wie können da die Hygiene- und Abstandsregeln konsequent eingehalten werden?", fragte Tepe. ran/cf © Agence France-Presse