Berichte über den drohenden Wegfall des Bundeszuschusses für die Pflegeversicherung haben am Freitag für Empörung gesorgt. Wenn dies zutreffe, "dann lässt die Bundesregierung Millionen Pflegebedürftige im Regen stehen", erklärte der Sprecher des GKV-Spitzenverbandes, Florian Lanz, am Freitag in Berlin. Scharfe Kritik kam auch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz.
Laut einem Bericht des "Wir" will Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) den Bundeszuschuss für die Pflegeversicherung im kommenden Jahr komplett streichen. Das Magazin berief sich auf den Entwurf für den Haushalt 2024, der nach derzeitiger Planung am Mittwoch vom Kabinett beschlossen werden soll.
Unter Berufung auf Experten des Bundesgesundheitsministeriums hieß es im "Wir" dazu weiter, dies werde unweigerlich zu noch höheren Beiträge für die Pflegeversicherung führen. Das Bundesfinanzministerium wollte sich dazu auf Anfrage nicht äußern. "Wir kommentieren die Berichterstattung nicht", hieß es lediglich.
Lanz wies darauf hin, dass schon seit Jahren die Bewohnerinnen und Bewohner der Pflegeheime die Investitionskosten für die Pflegeeinrichtungen zahlen müssten, "weil die Bundesländer sich hier einen schlanken Fuß machen". Die Sozialversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige müsse wiederum "die Pflegeversicherung finanzieren, weil der Bund diese Aufgabe an die Pflegekassen abgeschoben hat". Dazu kämen Corona-Kosten für die Pflegekassen in Milliardenhöhe. Der GKV-Sprecher warf den Regierenden eine "politische Entwicklung gegen eine stabile Pflegeversicherung" vor.
"Schon die Belastung der Pflegeversicherung mit 13 Milliarden Euro durch versicherungsfremde Leistungen ist eine Dreistigkeit", kritisierte auch der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch. Jetzt solle auch noch der jährliche Bundeszuschuss für die Pflege gestrichen werden. "Statt der versprochenen Dynamisierung der Leistungen und der Zukunftssicherung trocknet die Ampel-Koalition das Langzeitpflege-System aus", erklärte Brysch weiter. "Damit unterstreicht die Bundesregierung ihre politische Ignoranz gegenüber den Nöten und Sorgen der pflegebedürftigen Menschen", kritisierte er.
Unabhängig von den aktuellen Kürzungsplänen kritisierte die Krankenkasse AOK einseitige Mehrbelastungen für die Beitragszahlerinnen und - zahler bei der Finanzierung der Pflegereform. "Die drohende finanzielle Schieflage der sozialen Pflegeversicherung ist kurzfristig ausschließlich über steigende Beiträge abgewendet worden", erklärte AOK-Chefin Carola Reimann in Berlin.
Das neue Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz tritt an diesem Samstag in Kraft. Vor allem pflegende Angehörige sollen damit besser unterstützt werden. Zur Finanzierung werden die Beiträge deutlich erhöht. Der allgemeine Beitragssatz steigt von 3,05 auf 3,4 Prozent des Bruttolohns. Davon trägt der Arbeitgeber die Hälfte. Die Aufschläge für Kinderlose werden gleichzeitig von 0,35 auf 0,6 Prozentpunkte erhöht.
"Von den Entlastungen profitieren Pflegebedürftige jedoch erst ab dem kommenden Jahr", wenn die Leistungen erhöht werden, erklärte dazu Reimann. "Zudem ist es ein Unding, dass die Kosten für die Rentenbeiträge der pflegenden Angehörigen weiter von den Beitragszahlenden getragen werden."
Dies seien "unbestritten gesamtgesellschaftliche Ausgaben", die durch Bundesmittel finanziert werden müssten, argumentierte die AOK-Chefin. Sie drang statt Kürzungen auf "zusätzliche Steuermittel", um eine verlässliche Finanzierung der Pflegeversicherung zu gewährleisten.
"Der Pflegebeitrag steigt und wird weiter steigen, trotzdem bleiben die Versicherten auf einem großen Teil der Kosten sitzen", kritisierte in Berlin auch Linken-Parteichefin Janine Wissler. Sie forderte einen "Systemwechsel" zu einer "solidarischen Pflegevollversicherung für alle Bürgerinnen und Bürger", die sämtliche Kosten abdecke.
bk/mt