Nach langem Ringen haben sich die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union auf eine Reform der gemeinsamen Schuldenregeln geeinigt. Die spanische EU-Ratspräsidentschaft gab am Mittwochabend nach einer Videokonferenz der EU-Finanzminister im früher Twitter genannten Onlinedienst X bekannt, durch die Einigung würden "Stabilität und Wachstum" gesichert. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) schrieb auf X: "Die Stabilitätspolitik ist gestärkt." Die neuen Regeln würden "klare Zahlen für niedrigere Defizite und sinkende Schuldenquoten mit Anreizen für Investitionen und Struktureformen" verbinden.
Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire erklärte auf X: "Historische Einigung!" Die niederländische Finanzministerin Sigrid Kaag betonte, sie sei "froh, dass wir nach langer Diskussion und harten Verhandlungen eine gute Übereinkunft zu den EU-Budgetregeln erzielt haben". Lindner verwies darauf, die neuen Regeln seien "realistischer und wirksamer zugleich".
Durch die Reform soll der EU-Stabilitätspakt modernisiert werden, um einerseits Investitionen zu ermöglichen und zugleich eine zu hohe Verschuldung einzelner Mitgliedstaaten zu vermeiden. Die Schuldenregeln vom Ende der 1990er Jahre legen fest, dass bei der Neuverschuldung eines Staates drei Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) nicht überschritten werden darf. Die Gesamtverschuldung eines Landes darf bei höchstens 60 Prozent liegen. Sie bleiben im Grundsatz unverändert.
Die neuen Regeln sollen aber flexibler und realistischer für die Länder ausgelegt werden, deren Schulden zu hoch sind und die Anpassungen vornehmen müssen - ohne ihre Wirtschaft abzuwürgen. Vor allem südliche EU-Länder und auch Frankreich hatten die Schuldenregeln jahrelang als zu radikal krisiert - und sie teils einfach ignoriert.
Vor der nun erzielten Einigung der EU-Finanzminister hatten sich Deutschland und Frankreich abgestimmt und auf einen Kompromiss verständigt. Lindner hatte nach dem Treffen am Dienstag in Paris erklärt, die deutsch-französische Übereinkunft sehe "Sicherheitslinien für niedrigere Defizite und Schuldenstände" der Mitgliedsländer vor, wie sie Deutschland fordert. Zugleich ermögliche sie Anreize für Reformen und Investitionen, auf die Frankreich und andere Länder bestehen.
Die in der EU vereinbarte Reform sieht nun konkret unter anderem vor, dass Länder mit einem exzessiven Defizit von mehr als drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) dieses um mindestens 0,5 Prozentpunkte pro Jahr reduzieren müssen. Dies hatte Deutschland durchgesetzt. Frankreich erreichte im Gegenzug, dass diese Vorgabe im Zeitraum 2025 bis 2027 gelockert wird. In diesen Jahren sollen die deutlich gestiegenen Zinskosten zur Refinanzierung der öffentlichen Schulden angerechnet werden.
Lindner erwirkte bei seinen Kollegen zudem ein Zugeständnis für das strukturelle Defizit, das von Konjunktur-Einflüssen bereinigt ist. Dieses soll für alle Länder bei höchstens 1,5 Prozent der Wirtschaftsleistung liegen, um eine Sicherheitsmarge zu den drei Prozent zu schaffen.
Zugleich sollen bei Reformen und Investitionen in einzelnen Ländern die Zeiträume zum Defizitabbau verlängert werden. Im Vergleich zu den vorherigen Regeln sei nun das "Defizitziel weniger zwingend, der Rhythmus um es zu erreichen ist schrittweise und belohnt Investitionen", hieß es in Paris dazu.
Die EU hatte ihre Schuldenregeln in der Corona-Pandemie ausgesetzt, um den Ländern Milliardenhilfen für die Wirtschaft zu ermöglichen. Am 1. Januar treten sie wieder in Kraft - ohne eine EU-Einigung auf Reformen wäre die Glaubwürdigkeit von Mitgliedsstaaten an den Finanzmärkten in Gefahr geraten.
Nach der Grundsatzeinigung der Mitgliedsländer müssen die Staaten und das Europaparlament die Reform noch besiegeln. In Kraft treten könnte sie dann theoretisch ab Ende des Frühjahrs.
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