Ein Jahr Kanzlerschaft von Olaf Scholz – wie steht Deutschland in Europa dar und was hat sich geändert zu früher? Olaf Scholz hat mit Sicherheit Angela Merkels Rolle als “Krisenkanzler” übernommen, wenn man von seinem ersten Jahr im Amt ausgeht. Lesen Sie hier eine Einschätzung von Experten zum ersten Jahr von Olaf Scholz Kanzlerschaft:
Nur zwei Monate nach seinem Amtsantritt brach auf europäischem Boden ein Krieg aus, und der anhaltende Diskurs darüber, wie viel militärische und finanzielle Unterstützung die Europäische Union der Ukraine zukommen lassen sollte, dreht sich häufig um die größte Volkswirtschaft der Union.
Die jahrzehntelange starke Energieabhängigkeit Deutschlands von Russland wurde auf breiter Front aufgedeckt und angeprangert, und Scholz’ Eile, Alternativen zu russischem Gas zu finden, führte zu Spannungen zwischen den Koalitionsparteien der jungen deutschen Regierung und zwang sie zu einem teilweisen Rückzieher bei ihren klimapolitischen Zielen.
Die schleichende Inflation bedroht die Erholung der Volkswirtschaften in ganz Europa nach der Pandemie, und die Hauptsorge der deutschen Wähler ist, ob sie es sich leisten können, in diesem Winter die Heizung einzuschalten.
Ein wichtiger Akteur in Europa, aber nicht dominant
Scholz will, dass Deutschland ein wichtiger, aber nicht mehr ein dominanter Akteur in Europa ist, sagen Experten.
Lars Haider, Chefredakteur des Hamburger Abendblatts und Autor der Biografie “Olaf Scholz: Der Weg zur Macht”, sagte, dass “Olaf Scholz im Wesentlichen von der Überzeugung angetrieben wird, dass Europa im 21. Jahrhundert nur dann in der Welt bestehen kann, wenn es geeint ist. “Das ist auch der Grund, warum er nicht vorprescht und die Führung übernimmt, wie es immer wieder gefordert wird. Der deutsche Bundeskanzler darf nicht länger den Eindruck erwecken, dass er letztlich entscheidet, was und wie in Europa geschieht”, so Haider.
“Die Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich sind nicht so schlecht, wie sie dargestellt werden. Olaf Scholz weiß definitiv um den Wert der Achse Berlin-Paris und er weiß auch, dass Frankreich der wichtigste Partner Deutschlands ist, zumindest innerhalb der EU”, sagte er.
Keine Risiken eingehen und keine Führungsrolle in der Ukraine
Während Deutschland die Ukraine kontinuierlich militärisch, provisorisch und finanziell unterstützt, glauben einige, dass Deutschland eine historische Verantwortung hat, eine viel aktivere – und nicht nur reaktive – Rolle bei der Unterstützung der Ukraine im Kampf gegen die russische Invasion zu übernehmen.
Der deutsche Bundeskanzler stand Seite an Seite mit der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen während ihres Besuchs in Berlin im Oktober 2022 und wiederholte seinen Aufruf an die internationalen Partner, sich auf einen “Marshall-Plan” für die Ukraine zu einigen, um ihr beim Wiederaufbau nach den Kriegsschäden zu helfen.
Er räumte ein, dass dies in den kommenden Jahren Milliarden von Euro und Dollar erfordern werde.
“Es ist eine Bankrotterklärung der deutschen Ostpolitik… sie hat versagt, sie hat diesen Krieg nicht verhindert”, sagte er.
Meister räumt ein, dass Deutschland inzwischen “mehr getan hat, als oft diskutiert wird, was Waffenlieferungen und finanzielle Unterstützung” für die Ukraine angeht, aber dass Scholz immer noch die Verantwortung hat, die europäische Antwort stärker zu gestalten, als er es bisher getan hat.
