24 Stunden des Chaos, Bomben und schließlich ein abgesagter Putsch in Russland: Wie beeinflusst die fragile politische Lage in Moskau den Krieg in der Ukraine? Kann die ukrainische Armee von der Schwäche Putins profitieren? Bereits jetzt ist klar: Die ukrainische Armee nutzte das vorübergehende Machtvakuum am Samstag, um die russischen Invasoren im Osten und Süden des Landes weiter zurückzudrängen.
Um 18 Uhr deutscher Zeit verkündete die stellvertretende Verteidigungsministerin Hanna Maljar: “Die östliche Truppengruppe hat heute eine gleichzeitige Offensive in mehrere Richtungen gestartet. Es gibt Fortschritte in alle Richtungen.” Laut Maljar haben ukrainische Truppen sowohl in der Region Donezk bei Bachmut als auch in der Region Saporischschja bei Orichiw neue Angriffe gestartet, während Putins Luftwaffe den Wagner-Konvoi auf dem Weg nach Moskau mit Kampfhubschraubern bombardiert hat. Am Sonntagmorgen bestätigten russische Blogger die ukrainischen Erfolge während des Söldner-Aufstands im Westen Russlands. Der Kanal “WarGonzo” berichtete: “Die ukrainischen Truppen konnten nach dem Beschuss in Richtung Saporischschja bis in die Nähe von Robotyne vordringen. Im Wuhledar-Sektor haben ukrainische Einheiten neue Stellungen bei Pryjutne und nordöstlich von Riwnopil eingenommen.”
Auch die ukrainischen Angriffe bei Bachmut wurden von russischen Kriegsbloggern bestätigt. Bisher gab es jedoch keine Erfolge für die Truppen aus Kiew. Ebenfalls am Sonntag veröffentlichte eine ukrainische Drohnen-Einheit ein Video, das den Kamikaze-Angriff auf einen russischen Schützenpanzer vom Typ “BTR” zeigen soll. Die Militäreinheit erklärte dazu: “Hier haben wir Kadyrows Leute angegriffen, als sie nach Rostow gefahren sind.” Zwar bleibt unklar, ob das Video tatsächlich vom Samstag stammt und ob es genau die tschetschenische Einheit zeigt, die im Auftrag des Kremls aus der Ukraine nach Rostow geschickt wurde. Die Aufnahmen zeigen jedoch, dass das ukrainische Militär die Berichte aus Russland genau verfolgte und entsprechend handelte! Abgesehen von den konkreten Ereignissen, die sich am Samstag in Russland abgespielt haben, dürften sich die gescheiterten Umsturzversuche auch auf den Krieg in der Ukraine auswirken.
Die vor etwa einem Monat abgezogenen Wagner-Söldner werden die russischen Linien im Osten des Landes nun wolhl nicht verstärken. Obwohl der Kreml versprochen hat, Prigoschins Kämpfer in das russische Militär zu integrieren, gilt dies nur für diejenigen, die sich nicht am Aufstand gegen Putins Regime beteiligt haben – also nur einige Hundert der 25.000 Aufständischen von gestern. Die meisten Söldner werden wahrscheinlich nach Hause zu ihren Familien zurückkehren oder mit ihrem Chef Jewgeni Prigoschin ins belarussische Exil gehen – ein großer Vorteil für die ukrainische Armee!
Zudem dürften sich die Ereignisse vom Samstag katastrophal auf die Moral der russischen Truppen in der Ukraine auswirken. Die Soldaten und Söldner an der Front wissen nun, wie gespalten ihre Führung in Bezug auf die Gründe für den Krieg und die gewählte Kriegsführung in der Ukraine ist.
Nun wird auch dem letzten russischen Soldaten in der Ukraine klar, dass die russische Militärführung am Samstag keinerlei Mittel fand, einen Konvoi mit 2.000 Strafgefangenen und Söldnern auf ihrem Weg von Rostow nach Moskau mit militärischen Mitteln aufzuhalten. Erst nach 800 von 1000 Kilometern konnten die Rebellen gestoppt werden – nicht durch russische Soldaten, die sich alle weigerten, den Abtrünnigen in den Weg zu stellen, sondern aufgrund eines schmutzigen Deals zwischen Diktator Putin und dem Söldner-Boss Prigoschin. Dies war ein verheerendes Signal der Schwäche für die rund 200.000 Mann starke Besatzungsarmee in der Ukraine.