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Eckart von Hirschhausen: Sein Impftermin war “ein emotionaler Moment”

Neue Doku zeigt ihn in Impfstudie

“Die Impfung ist ganz sicher unser stärkstes Mittel im Kampf gegen das Coronavirus”, sagt Arzt und Wissenschaftsjournalist Eckart von Hirschhausen (53) im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news. Doch wie werden die Impfstoffe geprüft? Wie sicher ist ihr Einsatz? Und was gibt es für Nebenwirkungen? Genau diese Fragen stehen im Mittelpunkt der Doku “Hirschhausen als Impfproband” (1.2., 20:15 Uhr, das Erste).

Für den Film hat sich von Hirschhausen selbst als Proband für eine klinische Impfstudie an der Uniklinik Köln zur Verfügung gestellt. Wie die anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer durchläuft er dabei alle Schritte von Aufklärungsgesprächen und körperlicher Untersuchung über Blutentnahme und Impfung mit einem noch nicht zugelassenen Impfstoff oder einem Placebo (Medikament ohne Wirkstoff) bis hin zur Nachuntersuchung. Das Fernsehteam ist bei allen Terminen, Begegnungen und Interviews dabei.

Warum er das macht, ob die Injektion wehgetan hat und warum Impfen generell so ein sensibles Thema ist, erklärt Eckart von Hirschhausen unter anderem im Interview.

Eckart von Hirschhausen: Als Arzt in der Kinderheilkunde habe ich schon vor 25 Jahren erlebt, was für ein Segen wirksame Impfungen sind und ich habe auch selbst Kinder geimpft. Seitdem verfolge ich die Diskussionen, bin in Fachgremien, begleite Kongresse und bin erschüttert, wie hartnäckig sich viele Mythen halten. Deshalb habe ich überlegt, was mein Beitrag sein könnte, damit wir den Impfstart in Deutschland nicht durch Wissenslücken und Misstrauen in den Sand setzen.

von Hirschhausen: Für einen Moment habe ich tatsächlich gezögert, denn logischerweise ist ein Impfstoff, den es schon 20 Jahre gibt, besser verstanden als ein neuer. Deshalb habe ich mit vielen Fachleuten gesprochen, einige kommen auch im Film vor wie Frau Professorin Marylyn Addo, eine der weltbesten Infektologinnen und selbst Studienärztin, Volker Stollorz vom Science Media Center, oder [Prof. Dr.] Karl Lauterbach [57, Abgeordneter des Bundestages, Red.], der sich wirklich exzellent mit den aktuellen Studien auskennt und auch Cornelia Betsch, die Expertin für Impfkommunikation ist.

Auch die Aufklärung an der Uniklinik Köln für alle Studienteilnehmer/innen durch Professorin Clara Lehmann war sehr gut. Alle haben mir den Prozess erklärt und mit bestem Wissen und Gewissen zugeraten. Ich konnte zu jedem Zeitpunkt ‘Nein’ sagen. Habe ich aber nicht.

von Hirschhausen: Das war natürlich ein emotionaler Moment…

von Hirschhausen: Die Impfung ist vergleichbar mit einem Mückenstich. Es pikst, es kommt ein bisschen Flüssigkeit unter die Haut, und die Stelle wird rot. Und nach zwei Tagen ist die Reaktion des Körpers vorbei. Die Kanülen sind so dünn, die spürt man wirklich kaum.

von Hirschhausen: Nein, das weiß ich nicht, das weiß auch die Ärztin nicht, die mich geimpft hat. Ich kenne nur meine Nummer: ich bin Proband 20. Das Prinzip der sogenannten doppelten Verblindung ist wichtig, weil viele “Nebenwirkungen, allein deshalb erlebt werden, weil man vermehrt auf seinen Körper achtet. Ich habe die letzten Wochen Schmerzen an der Schulter und am Oberarm, recht lästig und häufig, nennt sich “frozen shoulder”. Die hatte ich auch schon vor der Impfung. Wären die Schmerzen aber zeitlich nach der Impfung aus dem Nichts aufgetaucht, hätte ich sofort die Impfung verdächtigt, dafür ausschlaggebend zu sein.

Um solche falschen Zuweisungen zu vermeiden gibt es drei wichtige Prinzipien bei Studien: möglichst viele Leute, Zufallsverteilung in die Gruppen und Verblindung. Damit viele verstehen, wieviel Aufwand, Detailarbeit und Professionalität hinter einer Studie steht, mache ich zusammen mit dem WDR und der Produktionsfirma Bilderfest diese Sendung. Außerdem bin ich doch besser zu 50 Prozent an einer guten Sache beteiligt als zu 100 Prozent an einer miesen, sprich einer ungeschützten Corona-Infektion.

von Hirschhausen: Viele Menschen mögen keine Spritzen. Da hatte es die Schluckimpfung auf einem Zuckerwürfel einfacher. Viele haben Angst, dass die Spritze ihre körperliche Integrität verletzt. Es geht uns buchstäblich etwas unter die Haut. Wir vergessen dabei, dass jeder Atemzug unsere körperliche Integrität verletzt. Wir atmen ständig Feinstaub, Krankheitserreger und jede Menge fremder Erbinformationen ein. Jedes Stück Fleisch und jedes Stück Gemüse enthält jede Menge DNA.

Unserem Immunsystem ist es relativ egal, auf welchem Weg ein Erreger oder der Bauplan für einen Teil des Erregers – und genau das ist ja die Impfung – in Kontakt mit uns kommt. Für den Lymphknoten, in dem das Abwehrsystem seine Zellen trainiert, ist es unerheblich, ob etwas im Blut über die Lunge oder über den Oberarmmuskel angeliefert wurde. Deshalb macht die Impfung im Kern lediglich aus einem zufälligen Vorgang, dass jemand mir seine Aerosole zuhustet, einen gezielten, planbaren und sicheren Vorgang. Ich weiß, was mir lieber ist. Aber ich verstehe auch, dass Menschen Angst haben, wenn ihnen das so noch niemand erklärt hat.

von Hirschhausen: In dieser Form nicht. Aber wenn wir aus dieser Pandemie etwas mitnehmen wollen, dann doch den Gedanken, dass wir Gesundheit global denken müssen. Ein Virus fragt nicht nach einem Visum, um Ländergrenzen zu überspringen. So wenig wie ein C02-Molekül in der Atmosphäre fragt, aus welchem Land es kam. Die drei großen globalen Krisen hängen sehr eng miteinander zusammen: Die Pandemie ist die Folge der Zerstörung der natürlichen Lebensräume der Wildtiere. Acht Millionen Menschen sterben jedes Jahr an Luftverschmutzung und eine Lunge, die Dreck einatmen muss, ist auch viel anfälliger für Corona.

Klimaschutz und Tierschutz sind auch Gesundheitsschutz, wenn wir das aus dem letzten Jahr gelernt haben, war es wenigstens zu etwas gut.

von Hirschhausen: Natürlich ist diese Angst da. Und seit meiner ersten WDR-Doku “Hirschhausen auf Intensiv” ist mir vor allem auch bewusst, was es für schwere Verläufe geben kann. Deshalb zucke ich jeden Tag zusammen, wenn es wieder heißt: gestern über 1000 Tote, weil ich dann an die Umstände denke, unter denen viele sterben – oft alleine in Altenheimen, aber auch jüngere Menschen auf Intensivstationen.

von Hirschhausen: Jörg Pütz spielt für mich deshalb eine wichtige Rolle, weil ich ihn und seine Familie bereits in der ersten Welle kennenlernen durfte, als ich eine Woche lang auf der Intensivstation der Uniklinik Bonn die erste Doku gedreht hatte. Seine Familie hat mich sehr gerührt, weil sie sich wegen des Besuchsverbotes jeden Tag auf der Wiese vor der Intensivstation versammelten, um ihrem wochenlang beatmeten Mann und Vater nahe sein zu können.

Jörg Pütz hat sich gegen alle Erwartungen wieder erholt, kann wieder laufen und sprechen und lachen. Die Familie hat eingewilligt, mit mir noch einmal an diesen besonderen Ort zu gehen, was alle sehr aufgewühlt hat. Ich habe großen Respekt vor ihrem Mut, ihren Schmerz und ihre Erlebnisse mit anderen zu teilen. Sie tun das aus Überzeugung, um damit Aufklärungsarbeit zu leisten, und als Dankeschön und aus Mitgefühl heraus für die Menschen, die jetzt gerade auf den Intensivstationen sind, als Patient/innen oder Mitarbeiter/innen.

von Hirschhausen: Die Impfung ist ganz sicher unser stärkstes Mittel im Kampf gegen das Coronavirus. Und um es einmal klar zu formulieren: Es ist eine Sensation, dass wir bereits so schnell Impfstoffe haben, mit voller Zulassung nach allen Regeln, keine Notzulassung wie in anderen Ländern. Aber wie alle wissen, reichen die Kapazitäten vorne und hinten nicht. Deshalb brauchen wir ja noch sehr viele neue Impfstoffe, gerade auch welche, die für Länder ohne viel Geld und Kühlketten funktionieren. Wenn ich dazu einen kleinen Beitrag leisten kann, mache ich das gern und halte zwei Mal meinen Arm hin.

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