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Dritte Verhandlungsrunde für öffentlichen Dienst zunächst ohne Annäherung

Corona-Auflagen prägen Verhandlungen

Im Tarifstreit des öffentlichen Dienstes von Bund und Kommunen hat sich zu Beginn der dritten Verhandlungsrunde keine Einigung abgezeichnet. Der Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Werneke, sprach am Donnerstag von einer "gewaltigen Wegstrecke", die noch zurückzulegen sei. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) fehlte bei den Verhandlungen in Potsdam wegen seines Kontakts zum Corona-infizierten Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU).

Bund und Kommunen bieten ihren insgesamt 2,3 Millionen Angestellten bis März 2023 bei dreijähriger Laufzeit insgesamt 3,5 Prozent mehr Geld, mindestens aber monatlich 30 Euro mehr an. Verdi und der Beamtenbund fordern hingegen 4,8 Prozent bis Ende 2021, monatlich jedoch mindestens 150 Euro mehr Gehalt.

Das Arbeitgeberangebot bleibe wegen der sinkenden Steuereinnahmen wahrscheinlich hinter der Inflationsrate zurück, räumte zum Auftakt der Präsident der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA) Ulrich Mädge, ein.

Ziel sei es, in der dritten Tarifrunde bis spätestens Sonntag zu einem Abschluss zu kommen, sagte Verdi-Bundeschef Werneke. "Es liegt aber noch eine gewaltige Wegstrecke vor uns." Die Vorstellungen der Tarifparteien lägen etwa bei der Laufzeit, der Stabilisierung kleinerer und mittlerer Einkommen, der Pflegezulage sowie der Kürzung der ostdeutschen Wochenarbeitszeit um eine Stunde auf 39 Stunden wie im Westen noch weit auseinander.

Die Arbeitgeber forderten zudem Verschlechterungen etwa bei der Eingruppierung der Gehälter im öffentlichen Dienst oder bei Einkommensabschlägen für Sparkassen-Mitarbeiter, kritisierte Werneke. Vor allem die Kommunen wollten einen Abschluss durchsetzen, der für drei Jahre nicht einmal die Preissteigerungsrate ausgleiche und Kaufkraftverluste bedeute. "Das ist für uns nicht akzeptabel."

Neben Laufzeit und linearer Lohnerhöhung gebe es zudem "eine Menge Detailfragen, die noch zu klären sind", sagte der Beamtenbund-Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach. Einerseits könne es nicht angehen, angesichts der raschen Erholungschancen nach der Pandemie einen langfristigen Tarifvertrag über drei Jahre abzuschließen. Andererseits sei auch klar, dass der Tarifabschluss Kommunen Planungssicherheit geben müsse.

Gewerkschaften und Kommunen leiten ihre Positionen von unterschiedlichen Prognosen zur wirtschaftlichen Entwicklung ab. Während Verdi und Beamtenbund unter Hinweis auf die aktuelle Steuerschätzung bereits bis Ende 2021 eine Chance auf eine Erholung sehen, rechnen kommunale Arbeitgeber mit einer langjährigen Durststrecke.

VKA-Präsident Mädge beziffert die Mehrkosten des Arbeitgeberangebots bis einschließlich 2023 auf insgesamt 4,8 Milliarden Euro über die gesamte Laufzeit von drei Jahren. Die Forderungen der Gewerkschaften summieren sich hingegen nach Verdi-Berechnungen für Bund und Kommunen bis Ende 2021 auf Mehrkosten von insgesamt etwa sechs Milliarden Euro.

Die Tarifverhandlungen stehen unter sichtbaren Auswirkungen der Corona-Vorsorgemaßnahmen. Am Verhandlungsort sind deutlich weniger Mitarbeiter als sonst an den Beratungen beteiligt. Die Bundestarifkommissionen von Verdi und Beamtenbund tagen erstmals in der Tarifgeschichte nicht direkt am Verhandlungsort, sondern beraten aus dem Homeoffice virtuell über den Verhandlungsstand.

Bundesinnenminister Seehofer wird als Verhandlungsführer des Bundes zunächst von einem Staatssekretär vertreten. VKA-Präsident Mädge verwies zur Begründung auf Kontakte Seehofers zu Bundesgesundheitsminister Spahn, der positiv auf eine Corona-Infektion getestet wurde. Beide Minister hatten am Mittwochmorgen an der Kabinettssitzung teilgenommen.

Sollten sich die Tarifparteien bis Sonntag weder auf einen Tarifabschluss noch die Fortsetzung der Verhandlungen in einer vierten Tarifrunde einigen, würde eine Schlichtung eingeleitet. Als Schlichter haben die turnusmäßig vorschlagsberechtigten Gewerkschaften Hannovers Ex-Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg benannt.

by Ina FASSBENDER