Wenige Tage nach dem Staatsstreich im Niger hat die Bundesregierung die Entwicklungszusammenarbeit und die finanzielle Unterstützung der Regierung ausgesetzt. Die Bundeswehr prüft derweil "alle Optionen" mit Blick auf ihre Präsenz in der Region, wie Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am Montag mitteilte. Die Sicherheit der rund hundert Bundeswehrsoldaten sei derzeit nicht gefährdet, betonte er.
Zu der ausgesetzten Entwicklungshilfe sagte eine Sprecherin des Bundesentwicklungsministeriums, seit 2020 seien etwa 160 Millionen Euro in deutsch-nigrische Entwicklungsprojekte geflossen. Die Bundesregierung engagiere sich in dem westafrikanischen Land insbesondere für Ernährungssicherheit, landwirtschaftliche Bewässerung und Mutter-Kind-Gesundheit.
Die Bundeswehr prüft unterdessen "alle Optionen" mit Blick auf ihre Präsenz in der Region. Es gebe "bisher keinen Grund zur Annahme", dass die rund hundert deutschen Soldatinnen und Soldaten im Niger gefährdet seien, betonte Pistorius. Deutschland suche aber auch "alternative Wege", um das Kontingent aus Mali abzuziehen, sagte er mit Blick auf den dafür eigentlich eingeplanten Lufttransportstützpunkt im nigrischen Niamey.
Der nigrische Präsident Mohamed Bazoum befindet sich seit Mittwoch in der Gewalt von Militärs, die ihn im Präsidentenpalast festgesetzt haben. Am Freitag erklärte sich der Chef der Präsidentengarde, General Abdourahamane Tiani, zum neuen Machthaber.
Seitdem nahm die Militärjunta nach Angaben der nigrischen Präsidentenpartei mehrere Minister der bisherigen Regierung fest. Die Partei forderte am Montag deren Freilassung und warnte davor, dass das Land in ein "diktatorisches und totalitäres Regime" abgleite. Die Militärjunta forderte ihrerseits die bisherigen Minister auf, ihre Dienstwagen abzugeben.
Der früheren Kolonialmacht Frankreich warf die Militärjunta vor, Pläne für ein militärisches Eingreifen in dem westafrikanischen Land zu schmieden. Frankreich suche "nach Mitteln und Wegen, um militärisch im Niger zu intervenieren", hieß es in einer im Fernsehen verlesenen Erklärung. In einer weiteren Erklärung beschuldigten die Putschisten die Sicherheitskräfte einer "westlichen Botschaft", Tränengas auf Befürworter des Umsturzes abgefeuert zu haben. Dabei seien sechs Menschen verletzt worden.
Am Sonntag hatten Tausende Unterstützer des Putsches vor der französischen Botschaft in Niamey demonstriert. Einige der Demonstranten trugen russische Fahnen. Als manche versuchten, sich Zugang zur Botschaft zu verschaffen, wurden sie unter Einsatz von Tränengas auseinandergetrieben.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron drohte daraufhin mit einer "sofortigen und unerbittlichen Reaktion" seines Landes, sollten Franzosen oder Interessen seines Landes im Niger angegriffen werden. Im Niger verbreitet sich wie in anderen westafrikanischen Ländern zunehmend eine antifranzösische Stimmung, die teils durch russische Cyberkampagnen befördert wird.
Der Kreml rief am Montag alle Seiten zur Zurückhaltung auf. "Wir fordern die rasche Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit im Land und die Zurückhaltung aller Beteiligten, damit es nicht zu menschlichen Opfern kommt", sagte Kreml-Sprecher Dimitri Peskow.
Die Europäische Union (EU) kündigte ihrerseits an, die von der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) beschlossenen Wirtschaftssanktionen gegen die selbsterklärten neuen Machthaber im Niger zu unterstützen. Die EU werde die Entscheidung der Ecowas "schnell und entschlossen" umsetzen, teilte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell mit.
Die Ecowas hatte am Sonntag finanzielle Sanktionen gegen die Militärjunta beschlossen. Sie stellte zudem das Ultimatum, die Macht innerhalb einer Woche an die legitimen Institutionen zurückzugeben. Ansonsten sei ein "Einsatz von Gewalt" nicht ausgeschlossen.
In dem westafrikanischen Land sind etwa hundert Bundeswehrsoldaten, 1500 französische und 1100 US-Soldaten stationiert. Nach Staatsstreichen in Mali und Burkina Faso sollte der Niger zur neuen Basis für den Kampf gegen Dschihadisten in der Sahelzone werden. Das Land zählt rund 20 Millionen Einwohner und gehört trotz seiner Uranvorkommen zu den ärmsten Staaten der Welt.
kol/jes