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Deutschland auf dem absteigenden Ast - Viele Industriebetriebe und Firmen könnten abwandern

Seit Jahrzehnten hat die Produktion von Maschinen, Autos und Chemikalien Deutschland Wohlstand gebracht. Doch nun wandern viele Unternehmen ab, und Investoren ziehen sich zurück. Droht unserer Industrie der Zerfall?

Industrie hat Tradition in Deutschland

Als 1865 die Badische Anilin- und Sodafabrik (BASF) in Mannheim gegründet wurde, lockte der bayerische König Max II. mit Kapital und niedrigen Steuern. Die Fabrik zog daraufhin nach Ludwigshafen um, damals Teil der bayerischen Pfalz. Dort entwickelte sich Europas größter Chemiekonzern, während der Ruß von den Schloten vom Westwind nach Baden getragen wurde, sehr zum Ärger des badischen Großherzogs Friedrich. Fast 160 Jahre später verlagert BASF erneut seine Produktion: Diesmal von Deutschland nach China, mit Investitionen von zehn Milliarden Euro. Teile der Produktion in Ludwigshafen werden stillgelegt. BASF ist dabei kein Einzelfall:

Viele Industrien beschäftigen sich mit möglicher Abwanderung

Der Aufsichtsrat von Thyssen-Krupp hat einem Teilverkauf seiner Stahlsparte an einen tschechischen Milliardär zugestimmt, was die IG Metall bereits zu „erbittertem Widerstand“ veranlasst.

Das Traditionsunternehmen Miele baut Standorte in Polen auf und entlässt Mitarbeiter in Deutschland. Auch viele Mittelständler sind betroffen. Die Gründe sind hausgemacht: hohe Energiekosten, hohe Arbeitskosten, hohe Steuern sowie Fachkräftemangel, überbordende Bürokratie und lange Verfahrensdauern. Laut einer Frühsommerumfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) investieren 37 Prozent der Mittelständler lieber im Ausland, da dort die Kosten geringer sind. Für drei Viertel der energieintensiven Unternehmen stellen die Energie- und Rohstoffpreise am Standort Deutschland ein Geschäftsrisiko dar, und fast 40 Prozent reduzieren ihre Investitionen im Inland.

Zahlreiche Probleme beschäftigen die Industrie in Deutschland

Auch beim Personal gibt es Sorgen: 20 Prozent der Betriebe planen mit weniger Beschäftigten, deutlich mehr als in vergangenen Jahren. Mittlerweile bewerten 28 Prozent ihre Geschäftslage als „schlecht“.

DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben warnt: "Aktuell gibt es keinerlei Anzeichen für einen Aufschwung. Die Unternehmen drohen zusehends, das Vertrauen in die Politik zu verlieren.“ Wansleben sieht „alarmierende Anzeichen einer schrittweisen Deindustrialisierung“ und warnt: „Wenn wir nicht zügig gegensteuern, verliert Deutschland seine industrielle Basis und damit die Grundlage für unseren Wohlstand. Es droht eine schleichende Abwanderung ganzer Industriezweige.“

Christian Hartel, Vorstandschef der Wacker Chemie AG, warnt sogar, dass Deutschland ohne funktionierende Wirtschaft nur noch für Touristen interessant sein könnte: „Ich möchte nicht, dass Deutschland und Europa 2040 oder 2050 lediglich zum Magneten für Touristen aus Asien werden – eine Art Disney-Land ...“ Prof. Michael Hüther, Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), sieht die Situation kritisch: "Weltweit werden viele Investitionsentscheidungen getroffen, und für Deutschland werden immer mehr Risiken erkannt.“ Er betont: "Die Politik muss gute Standortbedingungen für Investitionen schaffen.“ Das bedeutet, dass große Reformen und eine Willkommenskultur für Industriebetriebe notwendig sind.