Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) plant die Einführung eines Krankenhaus-Atlas, um die Qualität der medizinischen Eingriffe transparenter zu machen.
Wenn es nach Gesundheitsminister Karl Lauterbach (60, SPD) geht, soll niemand mehr in Kliniken unters Messer kommen, in denen Eingriffe nur selten gemacht werden. Am Donnerstag steht sein Krankenhaus-Atlas (Transparenzgesetz) im Bundestag zur Debatte.
Im BILD-Interview erklärt der Minister, warum das Patienten hilft und wie er den Ärztemangel bekämpfen will. Außerdem verrät er, wo er im Alltag schon Künstliche Intelligenz nutzt – und warum er weiter mit kontroversen Tweets für Aufregung sorgen will.
BILD: Herr Minister, warum sterben die Deutschen immer früher? Karl Lauterbach: „Das war leider lange ein Tabuthema. Weil unser Gesundheitssystem so teuer ist, sind wir davon ausgegangen, dass es besonders gut ist. Aber das ist falsch. Wir reagieren oft zu spät. Wir haben zu wenig Vorbeugemedizin, zu wenig klinische Forschung und zu wenig Spezialisierung im Krankenhaus.“
Was werden Sie dagegen tun?
Lauterbach: „Wir bauen ein Institut für öffentliche Gesundheit auf. Wir machen ein Gesetz für mehr Vorbeugemedizin, insbesondere um Herzkreislauferkrankungen zu vermeiden, die Ursache für ein Drittel aller Todesfälle sind. Mit unserem Klinik-Qualitäts-Atlas sorgen wir auch für eine bessere Versorgung von Patienten mit komplexen Erkrankungen – zum Beispiel Krebspatienten.“
Von Medikamentenmangel bis zur Krankenhausreform – es gibt viele Baustellen.
Ab heute gibt es die neue Auffrischungsimpfung.
Wie erkenne ich dann, welches Krankenhaus für eine Krebsbehandlung oder Knie-OP das Beste ist?
Lauterbach: „Sie sehen, wie oft die Eingriffe in den Abteilungen gemacht werden und wie viele Komplikationen dabei auftauchen. Wie ist die Ausstattung, wie viele Fachärzte und Pflegekräfte arbeiten dort, gemessen an der Zahl der Eingriffe? Grün steht für gute Qualität, rot heißt Achtung! Und wir teilen die Krankenhäuser in Level ein.“
Was hat man als Patient von den Levels?
Lauterbach: „Wenn Sie eine Wirbelsäulenchirurgie brauchen und sehen: Da ist auch eine Abteilung für Neurologie, also für Erkrankungen des Nervensystems einschließlich Gehirn und Rückenmark, dann kann das bei der Entscheidung helfen.“
Wir werben Ärzte aus allen Ecken und Enden der Welt an, gleichzeitig machen wir es jungen Leuten extrem schwer, einen Medizinstudienplatz zu bekommen. Was tun Sie dagegen?
Lauterbach: „Das ist ein großer Fehler. Wir werden im zweiten Versorgungsstärkungsgesetz, das in diesem Herbst kommen soll, einen Vorschlag machen, wie man die Zahl der Medizinstudenten im Jahr um 5000 erhöht. Wir müssen sofort handeln. Sonst werden die Babyboomer nicht angemessen versorgt, obwohl sie ihr Leben ins Solidarsystem eingezahlt haben.“
Sie lesen gerne wissenschaftliche Studien. Nutzen Sie dafür Künstliche Intelligenz?
Lauterbach: „Zum Teil ja. Ich benutze drei Systeme. Eines, das mir neue Studien anbietet. Eine Diktiersoftware, mit der man Texte zusammenfassen kann. Außerdem beantwortet mir eine Mathematik-KI Fragen, zum Beispiel wie sich Reformeffekte auf längere Sicht rechnen könnten.“ Karl Lauterbach im Gespräch mit Kati Degenhardt (l.) und Lydia Rosenfelder
Damit machen Sie Ihr Ministerium doch verrückt, wenn Sie schon Ergebnisse haben, bevor die Abteilungen überhaupt loslegen können.
Lauterbach: „Ach was, ich mache niemanden verrückt. Ich bin in vielen Arbeitssitzungen selber dabei, oft lieber als bei repräsentativen Terminen. Ich gehöre eben zu denen, die nicht nur über KI reden, sondern sie auch nutzen.“
Immer wieder sorgen Sie mit kontroversen Tweets für Furore, sagen das Ende von Italien als Urlaubsland voraus, fordern Wohnungsentzug für Silvester-Randalierer. Sind Sie zu impulsiv für Twitter?
Lauterbach: „Die Leute wissen es wahrscheinlich zu schätzen, wenn es in der Politik Menschen gibt, die Charaktere sind und das auch zeigen. Dass ich ehrlich reagiere, schwächt ja nicht meine Befähigung fürs Amt. Ich hoffe zumindest, das findet nicht jeder unsympathisch.“