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Deutscher Dschihadist in Paris wegen Angriffs auf Gefängniswärter verurteilt

Der in Frankreich inhaftierte deutsche Dschihadist Christian Ganczarski ist wegen eines Angriffs auf Gefängniswärter zu einer weiteren langen Haftstrafe verurteilt worden. Ein Gericht in Paris verhängte am Freitag gegen den 56-Jährigen eine Freiheitsstrafe von 20 Jahren und ging damit über das von der Staatsanwaltschaft geforderte Strafmaß deutlich hinaus. Ganczarski, dessen Auslieferung die US-Justiz wegen seiner Verbindungen zum Terrornetzwerk Al-Kaida fordert, nahm das Urteil regungslos zur Kenntnis.

Der deutsche Dschihadist verbüßt in Frankreich eine Haftstrafe wegen seiner Komplizenschaft beim Anschlag auf der tunesischen Insel Djerba im April 2002, bei dem 21 Menschen getötet worden waren, unter ihnen 14 Deutsche und zwei Franzosen. Im Gefängnis im nordfranzösischen Vendin-le-Vieil hatte er am 11. Januar 2018 mit einem Buttermesser und einer Schere vier Wärter angegriffen und verletzt.

Das Gericht in Paris erklärte zur Urteilsbegründung am Freitag, Ganczarski habe zwar immer vorgegeben, bei seiner Tat die Kontrolle verloren zu haben. Dennoch spreche alles dafür, dass er bei seinem Angriff auf die Wärter vorsätzlich und mit Entschlossenheit gehandelt habe.

Sechs Tage vor dem Angriff hatte Ganczarski erfahren, dass die US-Justiz im Zusammenhang mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 seine Auslieferung verlangt hatte. Zu diesem Zeitpunkt hatte er sich bereits darauf eingestellt, das Gefängnis bald verlassen zu können. Das Gericht in Paris schloss als Motiv für den Angriff nicht aus, dass Ganczarski damit einer Auslieferung in die USA entgehen wollte. 

Der deutsche Dschihadist war 2003 bei einem Zwischenstopp in Paris festgenommen und sechs Jahre später wegen Komplizenschaft beim Al-Kaida-Anschlag von Djerba zu 18 Jahren Haft verurteilt worden.

Die französische Staatsanwaltschaft wirft Ganczarski vor, Al-Kaida mit Computern versorgt und persönlichen Kontakt zu dessen früherem Anführer Osama bin Laden gehabt zu haben. Zwischen 1999 und 2001 soll er sich mehrfach in Afghanistan aufgehalten haben.  

Ganczarski bestritt in seinem neuen Verfahren vor Gericht immer wieder, ein Terrorist zu sein. "Ich bin ein Mensch, der seine Religion liebt", sagte er. "Ich habe niemals eine Gruppe unterstützt, sondern Muslime."

Mit leichtem oberschlesischen Akzent schilderte er seinen Werdegang als polnischer Spätaussiedler aus einer sehr katholischen Familie, der im Alter von neun Jahren nach Mülheim an der Ruhr kam. Mit 19 Jahren ließ er sich von einem Arbeitskollegen für den Islam begeistern. "Innerhalb von einer Schicht bin ich Muslim geworden", sagte er. "Ich habe auf Deutsch übersetzte Verse aus dem Koran gelesen und wusste, ich bin Muslim", fügte er hinzu. 

Er heiratete eine ebenfalls zum Islam konvertierte Deutsche und ging nach Afghanistan. Auf Videos war er zu sehen, wie er an einem Treffen mit Osama bin Laden teilnahm. Unter den Teilnehmern des Treffens war auch der spätere Todespilot von 9/11, Mohammed Atta.

Zum Anschlag auf Djerba erklärte Ganczarski erneut, nichts damit zu tun zu haben. Die französischen Richter hatten ihn 2009 auf Grundlage eines in Deutschland abgehörten Telefonats mit dem Attentäter verurteilt. 

Der Täter hatte ihn wenige Stunden vor der Tat angerufen. "Ich habe gefragt: Brauchst du was? Und er hat nur gesagt, eine Dawaa, ein Gebet", sagte Ganczarski vor Gericht. "Dann war das Telefonat zuende, und dafür bin ich zu 18 Jahren Haft verurteilt worden", sagte er. 

Das Gericht in Frankreich sah es hingegen als erwiesen an, dass Ganczarski mit dem Telefonat damals den Einsatzbefehl für den Anschlag auf Djerba gegeben hatte. 

kol/ju/jees