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Deutsche Politiker dringen nach US-Wahl auf mehr Eigenverantwortung in Europa

Nouripour: Wir müssen lernen, auf eigenen Beinen zu stehen"

Auch bei einem Wahlsieg des demokratischen US-Präsidentschaftskandidaten Joe Biden müssen Deutschland und Europa nach Auffassung deutscher Politiker unterschiedlicher Parteien mehr Eigenverantwortung übernehmen. "Diese Wahl sollte der letzte Weckruf sein, nicht nur für uns in Deutschland, sondern für uns in Europa, dass wir auf eigenen Beinen stehen müssen", sagte der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour am Donnerstag den Sendern RTL und n-tv.

Die Europäer müssten zusammenstehen, "um im Zweifelsfall auch ohne die Amerikaner Außen- und Sicherheitspolitik zu machen", sagte Nouripour weiter in der Sendung "Frühstart". Auch wenn Biden die Wahl gewinne, müsse man davon ausgehen, dass "nach diesem knappen Rennen und nach dieser massiven Polarisierung in den Vereinigten Staaten sich Biden massiv um die sozialen Verwerfungen im eigenen Land kümmern muss".

Der Grünen-Europapolitiker Reinhard Bütikofer sagte zu dem sich andeutenden Erfolg von Biden in den USA: "Das wäre ein lang erhoffter, aber insgesamt betrachtet ein schwacher Sieg." Auch er warb für mehr Eigenverantwortung der Europäer. "Ich glaube, wir müssen uns von einer Haltung freimachen, die so tut, als läge die Entwicklung des transatlantischen Verhältnisses nur daran, was in den USA passiert. Es ist schon auch unsere Aufgabe dieses Verhältnis zu gestalten", sagte er dem SWR.

"Wenn Biden gewinnen würde, kann sich Europa nicht zurücklehnen und sagen: Jetzt sollen die Amis mal kommen und vernünftige Vorschläge machen", warnte Bütikofer weiter. Noch schwerer würde es allerdings, sollte sich doch noch Trump durchsetzen. Bei ihm sei nicht auszuschließen, dass er in einer zweiten Amtszeit in den Bereichen Wirtschafts-, Verteidigungs- oder Klimapolitik sogar "noch irrationaler" handeln würde.

"Die USA werden auch unter Joe Biden nicht mehr in ihre alte Rolle zurückkehren", sagte ebenfalls der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen. Biden würde sich zuerst "um das eigene Land kümmern" müssen, zweite Priorität werde dann der Umgang mit China sein. "Wir müssen ein europäisches Gewicht in die Waagschale werfen", sagte Röttgen weiter in der "Bild"-Zeitung. Dafür habe auch Deutschland eine wichtige Rolle.

Auch der frühere Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) rechnet damit, dass das diese zunächst weitgehend mit ihren internen Problemen beschäftigt sein werden. "Das Land ist, egal, wer Präsident ist, unfassbar tief gespalten und wird deshalb auf mittlere Frist insbesondere als Ordnungsmacht in der Welt ausfallen", sagte Gabriel, der auch Vorsitzender des Vereins Atlantik-Brücke ist, am Donnerstag dem Bayerischen Rundfunk.

Egal, wer Präsident der USA werde, "es gibt kein Zurück in die alten guten Zeiten, in denen Amerika fast ein europäisches Land war", sagte Gabriel weiter. Sollte Biden aber gewinnen, dann hätte dann Europa "wenigstens wieder einen Verhandlungspartner". Biden wisse, "dass auch im 21. Jahrhundert die USA Partner brauchen". Dagegen sei für Trump "die Welt eine Arena, ein Kampfplatz, auf dem die großen Jungs der Weltpolitik Deals verabreden".

by JEFF KOWALSKY