Die Ernte in Deutschland fällt nach Angaben des Bauernverbands das dritte Jahr in Folge unterdurchschnittlich aus. Hauptursache dafür sei die lange Trockenperiode ab März gewesen, sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied bei der Vorstellung der Erntebilanz am Dienstag. Da zugleich die Preise für viele Erzeugnisse sanken, sei die wirtschaftliche Lage vieler Betriebe "deutlich angespannt". Angesichts des fortschreitenden Klimawandels und häufiger Extremwetter forderte Rukwied den Aufbau einer neuen Mehrgefahrenversicherung mit Zuschüssen des Staats.
Der Deutsche Bauernverband (DBV) rechnet in diesem Jahr mit einer Getreideernte von 42,4 Millionen Tonnen. Damit liege die Ernte um rund zwei Millionen Tonnen (fünf Prozent) unter dem Durchschnitt der Jahre 2015 bis 2019. Allerdings sei auch die Anbaufläche mit knapp 6,1 Millionen Hektar vier Prozent kleiner ausgefallen.
Gravierend seien die "erheblichen regionalen Unterschiede" bei der Ernte, sagte Rukwied. Selbst innerhalb einer Gemarkung könnten Schwankungen von 30 bis 40 Prozent auftreten. Auch europaweit sei eine unterdurchschnittliche Erntemenge im Vorjahresvergleich verzeichnet worden. Da die weltweite Produktion aber etwa beim Weizen über dem Verbrauch liege, seien die Preise für die Erzeugnisse "nach wie vor unter Druck".
"Der Klimawandel manifestiert sich", sagte Rukwied. "Wir dreschen deutlich früher und haben nicht mehr die Stabilität der Ernteerträge, die wir vor zehn oder 15 Jahren noch hatten." Die Branche benötige deshalb widerstandsfähigere Sorten und Neuzüchtungen, die mit Hitze besser zurecht kommen.
Auch die Corona-Pandemie hinterließ Spuren. Wegen fehlender Saisonarbeitskräfte und deutlich kleinerer Anbaufläche sanken die Erträge bei Spargel und Erdbeeren. Der zurückgegangene Bierkonsum infolge der Pandemie-Einschränkungen ließ die Preise für Braugerste laut Rukwied auf rund 160 Euro pro Tonne zurückgehen. Vor zwei Jahren hätten Landwirte noch 200 Euro pro Tonne bekommen.
Futterbetriebe stehen wegen des Extremwetters ebenfalls vor Schwierigkeiten. Die Futterversorgung sei mittlerweile "knapp bemessen", da wegen ausbleibenden Regens vielerorts der dritte Schnitt der Wiesen entfalle, sagte Rukwied. Deshalb drohten Versorgungsengpässe beim Futter.
Der Bauernpräsident drängte auf den Aufbau einer freiwilligen Mehrgefahrenversicherung für Landwirte, damit diese angesichts der Klimaveränderung selbst das Risiko reduzieren können. Den Aufbau der Versicherung könne der Agrarsektor aber nicht allein stemmen, weshalb der Staat Mittel im Rahmen einer Anschubfinanzierung zur Verfügung stellen müsse.
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) erklärte, eine Versicherung gegen Dürre sei für Landwirte derzeit "preislich kaum erschwinglich". In Deutschland sind demnach nur etwa 0,02 Prozent der landwirtschaftlichen Anbaufläche gegen Dürre versichert. Eine staatliche Förderung sei nötig, um Dürreversicherungen stärker zu etablieren, betonte der Verband.
Trockenheit zählt laut GDV zu den sogenannten Kumulrisiken: Sie kann mehrere Regionen gleichzeitig treffen und somit zu hohen Schäden führen, was sich auf den Preis der Policen auswirkt. Beiträge und Selbstbehalte für den Versicherungsschutz seien entsprechend hoch. Andere EU-Staaten wie Frankreich, Italien, Spanien, Polen oder die Niederlande bezuschussen die Versicherungsbeiträge laut GDV mit bis zu 70 Prozent.
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter forderte eine Wende in der Landwirtschaftspolitik. "Das industrielle Agrarmodell ist mit großen Gefahren für die Gesellschaft und die Landwirtschaft selbst verbunden", erklärte Hofreiter. Der Agrarsektor müsse in Richtung Widerstandsfähigkeit, lokale Vielfalt und Wertschöpfung in den Betrieben neu ausgerichtet werden.
Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Frank Sitta mahnte eine "Gesamtstrategie" für eine krisenfestere Landwirtschaft an. Wesentliche Bausteine müssten dabei die "Stärkung der eigenverantwortlichen Risikovorsorge durch die Einführung einer steuerfreien Rücklagemöglichkeit und mehr Freiraum für Innovationen sein".
by Von Marc MUDRAK