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Debatte über Umgang mit Erstarken der AfD

Das Erstarken der AfD alarmiert zunehmend die etablierten Parteien, aber auch die Wirtschaft. SPD-Chef Lars Klingbeil warnte am Wochenende vor einer Normalisierung rechten Gedankenguts und äußerte Zweifel daran, dass die Brandmauer der Union gegen Rechts halten werde. Die Arbeitgeber sehen "Ampel" und Union gleichermaßen in der Pflicht. Die Linke forderte Schritte gegen die "systematische Vernachlässigung des Ostens" als Antwort auf das AfD-Hoch.

"Wir müssen als Demokraten aufpassen, dass rechtsextreme Erzählungen nicht in der Mitte der Gesellschaft ankommen", sagte Klingbeil dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Die Gesellschaft ist müde", sagte er und verwies auf drei Jahre im Krisenzustand durch Corona-Pandemie, Krieg in Europa, Energiekrise und Inflation. "Die Leute haben Zukunftsängste." Das sorge dafür, "dass ein Nährboden für Populismus entsteht, wie ihn die Rechtsextremen verbreiten". 

Klingbeil räumte ein, dass auch die Zerstrittenheit der Ampel-Koalition zur Verunsicherung der Menschen geführt habe. Aber die Union trage ebenfalls dazu bei, "weil sie sich mehr mit der Frage ihrer Kanzlerkandidatur beschäftigt als mit wirksamen Alternativen zur AfD".   

Er glaube, dass CDU-Chef Friedrich Merz die Brandmauer zur AfD wolle. "Aber ob er die Kraft hat, es in der gesamten Partei durchzusetzen, das wird sich zeigen", sagte Klingbeil. "Ich merke, dass genau diese Normalisierung - Dinge zu sagen, die auch die Rechten sagen - zumindest auf mancher lokalen Ebene in die CDU einsickert."

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert warnte die demokratischen Parteien vor einer Zusammenarbeit. Die AfD sei "eine demokratiefeindliche und hasserfüllte Formation", sagte er der Zeitung "Welt". Sie gebe sich als "Anwältin der sogenannten kleinen Leute, ist aber sprachlos beim Thema Mindestlöhne und Tariftreue". Ihre Steuerpolitik würde vor allem Vermögenden nutzen, so Kühnert. "Im Umgang mit der AfD sollte sich für alle Demokraten jegliche politische Opportunität verbieten."

Die SPD-Ministerpräsidenten Manuela Schwesig, Dietmar Woidke und Stephan Weil äußerten angesichts der Querelen um das Heizungsgesetz Unmut über die Bundesregierung. Die AfD nutze "Frustration und Verunsicherung als großes Mobilisierungsthema", sagte Mecklenburg-Vorpommerns Regierungschefin Schwesig der "Süddeutschen Zeitung" vom Wochenende. Brandenburgs Regierungschef Woidke sagte, die Politik müsse beim Klimaschutz "die Menschen mitnehmen". Niedersachsens Ministerpräsident Weil forderte mehr Geschlossenheit von der "Ampel".

Sowohl in Mecklenburg-Vorpommern als auch in Brandenburg ist die AfD Umfragen zufolge derzeit die beliebteste Partei, sie kommt wie in Sachsen und Sachsen-Anhalt auf eine Zustimmung von 28 bis 29 Prozent. In Thüringen sieht eine aktuelle Umfrage die AfD sogar bei 34 Prozent. Bundesweit erreicht die Rechtsaußen-Partei Werte von bis zu 20 Prozent.

Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger machte "Ampel" und Union gleichermaßen dafür verantwortlich. "Ich nehme da ausdrücklich nicht nur diese Regierung in Haftung, sondern auch die größte Oppositionspartei", sagte Dulger am Sonntag dem Portal "Zeit Online". Die hohen Zustimmungswerte zur AfD machten ihm persönlich und als Unternehmer Sorgen. Die Volksparteien dürften sich nicht wegducken und müssten das Land dringend modernisieren. "Deutschland muss wieder einfacher werden", forderte er.

Der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, will den Kampf gegen die AfD ins Zentrum des Europawahlkampfs stellen und schließt jegliche Zusammenarbeit mit der Rechtsaußen-Partei aus. "Die Brandmauer steht", sagte der CSU-Vize den Funke-Zeitungen. Die AfD sei für die Union "nicht nur politischer Wettbewerber, sondern Gegner und Feind". Merz hatte kürzlich die Grünen als Hauptgegner der Union bezeichnet.

Die Linke sieht das Erstarken der AfD auch in einer "systematischen Vernachlässigung des Ostens" begründet. In einem Vorstandsbeschluss fordert die Partei zahlreiche Maßnahmen, etwa eine "Lohnoffensive Ost" durch mehr Tarifbindung und flächendeckende Tarifverträge.

cha/smb