Besonders die Schüler hatten unter der Corona-Pandemie zu leiden. Nun jedoch bekommt die Politik die Rechnung serviert. Denn das Corona-Zeugnis für die Schulpolitik fällt sehr mangelhaft aus. Zweimal mussten die Schulen wegen des Lockdowns für längere Zeit geschlossen werden. Nun droht wegen der startenden 3. Infektionswellle ein weiterer Lockdown.
Auch mehr als 1 Jahr nach dem Start der Corona-Pandemie gibt es noch immer kein funktionierendes Konzept, mit dem die Schulen auch in Zeiten hoher Infektionszahlen offen gelassen werden können. “Langsam stellt sich die Frage, was dieses Schuljahr noch wert ist“, kritisiert Lehrerpräsident Heinz-Peter Meidinger gegenüber der “BILD am Sonntag”. Insgesamt haben die Schüler durch die Pandemie zwischen 500 bis 600 Stunden Unterricht verloren. Zudem wiegt selbst der beste Distanzunterricht von der Qualität her niemals den Präsenzunterricht auf. “Alle Schüler haben Lücken aufgebaut. Bei 20 Prozent sind sie so groß, dass sie gar nicht mehr begleitend aufgeholt werden können“, glaubt Meidinger zu wissen.
Im Augenblick herrscht bundesweit ein föderales Durcheinander aus Wechsel-, Präsenz- und Distanzunterricht. Seit Februar wird in den meisten Grundschulen wieder Unterricht erteilt. Seit Anfang März findet auch bei den älteren Schülern der Klassenstufen 10 bis 13 wieder Wechselunterricht statt. Nur sehr selten besuchen Schüler der Klassen 7 bis 9 den Unterricht. Durch die steigenden Infektionszahlen greifen erste Regionen wieder komplett auf Online-Unterricht von zuhause zurück. Schon bald könnten die Schulen zudem wieder komplett geschlossen werden. “Es gibt nur eine Möglichkeit, die Schulen auch in einer dritten Welle zu einigermaßen sicheren Orten zu machen: indem man die Lehrer impft und gleichzeitig mindestens zweimal in der Woche einen Schnelltest für alle Lehrer und Schüler durchführt“, erklärt Lehrerpräsident Meidinger. Noch seien dafür jedoch fast nirgends die Voraussetzungen gegeben. “Ich glaube deshalb nicht, dass wir die Schulen in der dritten Welle offen lassen können“, zeigt sich Meidinger pessimistisch für die nahe Zukunft.
Denn noch immer kämpft man in der Pandemie mit vielen Problemen. Zuletzt sollte mit den Impfungen der Lehrer begonnen werden. Doch dann mussten viele Termine wegen des Impf-Stopp des AstraZeneca-Impfstoffes abgesagt werden. Und auch bei den Schnelltests kommt man nicht wirklich voran. “Nicht ein einziges Bundesland hat ausreichend Schnelltests, um mindestens zweimal in der Woche, besser noch jeden Schultag, alle Schüler und Lehrer durchzutesten“, ist Heinz-Peter Meidinger sicher. Zudem gebe es auch noch viel Probleme mit der Organisation. “In den meisten Ländern ist überhaupt nicht geklärt, was für Tests man verwenden will, ob sie zu Hause oder in der Schule durchgeführt werden, ob der Schnelltest freiwillig oder verpflichtend ist.“ Dabei wäre dies besonders wichtig. Denn wie das Robert-Koch-Institut bestätigt, hat sich in den letzten Tagen die
Sieben-Tage-Inzidenz bei den 5- bis 9-jährigen Kindern verdoppelt. “Es gibt keine Altersgruppe, wo der Zuwachs der Fälle derzeit so ausgeprägt ist wie bei den Kindern und den jungen Erwachsenen“, bestätigt SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach (58).
Wie groß die in den Schulen aufgelaufenen Defizite wirklich sind, kann bisher lediglich geschätzt werden. Denn bisher wurde die zur Klärung dieser Frage nötige Lernstandserhebung in keinem einzigen Bundesland durchgeführt. Allerdings sind die bis jetzt erhobenen Daten nicht sehr hoffnungsvoll. Das Münchener Ifo-Instituts ist zuletzt zu dem Ergebnis gekommen, dass die Schüler sich während der Pandemie nur halb so viel Zeit (3,6 Stunden/Tag) mit schulischen Dingen beschäftigt haben, als vor dem Start der Pandemie (7,4 Stunden/Tag).