Die Corona-Krise hat den Onlinehandel beflügelt - die Modehäuser dagegen darben. Das zeigen die Einzelhandelsumsätze im Juni, die das Statistische Bundesamt am Freitag veröffentlichte. Der Onlinehandel verzeichnete demnach ein Plus von 30,7 Prozent im Vorjahresvergleich. Mode- und Schuhläden sowie Kaufhäuser machten dagegen 16 Prozent weniger Umsatz. Der Branchenverband HDE sorgt sich weiter um viele Händler - und vor einer zweiten Infektionswelle.
Insgesamt lag der Einzelhandelsumsatz im Juni 1,4 Prozent über dem Vorkrisenniveau, wie das Statistikamt in Wiesbaden mitteilte. Im Vergleich zum Juni 2019 stiegen die Umsätze demnach preisbereinigt um 5,9 Prozent. Im Vergleich zum Mai gingen sie um 1,6 Prozent zurück. Die deutliche Steigerung im Onlinegeschäft sei "selbst in dieser sehr dynamischen Branche ungewöhnlich" und erheblich durch die Corona-Pandemie beeinflusst, erklärten die Statistiker.
Auch Möbelhäuser sowie der Handel mit Haushaltsgeräten und Baubedarf machten den Angaben zufolge 14,6 Prozent mehr Umsatz als im Juni 2019. Über den gleichen Effekt konnte sich außerdem der Handel mit Lebensmitteln, Getränken und Tabakwaren freuen - das Plus betrug 2,3 Prozent. Supermärkte machten 3,1 Prozent mehr Umsatz. Kleinere Lebensmittelläden dagegen verbuchten 4,0 Prozent Umsatz weniger.
"Die Lage verbessert sich, bleibt aber für viele Händler kritisch", erklärte der Handelsverband Deutschland (HDE) und verwies auch auf seine aktuelle Umfrage unter 500 Händlern. Demnach erreichten zwei Drittel der Unternehmen, die etwas anderes als Lebensmittel verkaufen, mindestens 75 Prozent des Umsatzes der Vergleichswoche im Juni 2019. Langsam kommen laut HDE wieder mehr Kunden in die Geschäfte.
Bei 27 Prozent der Einzelhändler sei die Lage aber "nach wie vor sehr ernst", viele bangten um ihre Existenz, erklärte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Es gebe "keinen Grund zur Entwarnung". Zwei Drittel der Nicht-Lebensmittel-Händler rechnen laut Genth auch im zweiten Halbjahr mit einem Umsatzminus. Den meisten Handelsunternehmen werde es zudem nicht gelingen, die in den vergangenen Monaten aufgelaufenen Umsatzverluste aufzuholen.
Umso wichtiger ist es aus Sicht des Handelsverbands, dass die Läden weiterhin öffnen dürfen. "Für viele Händler gäbe es bei erneuten Einschränkungen oder gar einer zweiten Phase des Lockdowns keine Chance mehr, der Insolvenz zu entgehen", warnte HDE-Präsident Josef Sanktjohanser.
Angesichts der steigenden Corona-Infektionszahlen der letzte Tage mahnte er mehr Disziplin bei der Einhaltung von Hygiene- und Abstandsregeln an. "Es erfüllt mich mit großer Unruhe, dass es viele offenbar nicht mehr so genau mit der Einhaltung der Regeln nehmen", erklärte Sanktjohanser.
Trotz staatlicher Gegenmaßnahmen und ausgesetzter Insolvenzantragspflicht kommen zahlreiche Handelsunternehmen schon nicht mehr mit eigener Kraft aus der Corona-Krise - unverschuldet oder auch wegen bereits bestehender Finanzprobleme. Das prominenteste Beispiel ist Galeria Karstadt Kaufhof: Bei der Warenhauskette sind nach Informationen der Gewerkschaft Verdi mittlerweile noch rund 50 Filialen in der Schutzschirminsolvenz von der Schließung bedroht.
Auch der Textilkonzern Esprit beantragte für mehrere deutsche Tochtergesellschaften ein Schutzschirmverfahren und will etwa 50 Läden bis voraussichtlich Ende November 2020 schließen. Auf der Liste der pleite gegangenen Modehändler stehen laut der Auskunftei Creditreform außerdem AppelrathCüpper und Hallhuber. Die angeschlagene Modekette Tom Tailor verhandelte zuletzt mit ihren Geldgebern über eine neue Finanzstruktur, um die Krise zu überstehen.
by Ina FASSBENDER