Es ist wie ein Déjà-vu: Eine neue Variante von Sars-CoV-2 breitet sich in Deutschland und anderen Ländern aus, und Frühwarnsysteme registrieren einen Anstieg der Infektionen. Die neue Mutation ist hochansteckend und verbreitet sich schnell! Droht sogar eine Sommerwelle? So ist die Lage:
Seit April 2024 nimmt der Anteil von KP.2 in vielen Ländern rapide zu. Laut dem Robert Koch-Institut (RKI) lag der Anteil in Deutschland in der 19. Kalenderwoche (6. bis 12. Mai) bei rund 19 Prozent, fünf Wochen zuvor waren es nur drei Prozent. Ähnliche Entwicklungen zeigen sich auch in anderen europäischen Ländern und in den USA, wo der Anteil bereits bei 28,5 Prozent liegt. Das Auftreten neuer Virusvarianten ist erwartbar. "KP.2 ist Teil der schrittweisen Evolution von Sars-CoV-2“, erklärt Emanuel Wyler vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin-Buch. "Viren und die Immunität der Bevölkerung verändern sich ständig. Es wird nie einen Stillstand geben.“ Droht uns jetzt sogar eine Sommerwelle und bedroht den Urlaub?
"Dass KP.2 eine höhere Reproduktionszahl hat, ist eine Selbstverständlichkeit – sonst wäre es keine neue Variante“, sagt Wyler. Entscheidend ist, ob sich insgesamt wieder mehr Menschen infizieren und ob sie schwerer erkranken. Systematisch getestet wird schon lange nicht mehr, Hinweise für Deutschland liefern die Daten des "Grippe-Web“.
Es gibt jedoch einen kleinen Anstieg bei den gemeldeten Coronainfektionen, die seit Ende des Vorjahres abnahmen, aber nun leicht steigen – auf dem sehr niedrigen Niveau von geschätzten 200 Covid-19-Fällen pro 100.000 Einwohnern. Ähnliches sieht man bei der Überwachung der Klärwerke, wo ausgeschiedene Viren nachgewiesen werden. "Die besten Daten über Coronavarianten stammen aus der Überwachung der Abwässer“, sagt Wyler. "Die EU hat hier etwas sehr Beachtliches erreicht.“ Einmal im Monat veröffentlicht das "EU Wastewater Observatory for Public Health“ einen Monatsbericht. In Deutschland werden dafür Daten von 148 Aufbereitungsanlagen von Wasser verwendet, was 32 Prozent der Bevölkerung abdeckt. Die Viruslast ist zwar noch sehr niedrig, stieg aber in den letzten vier Wochen. In der 21. Kalenderwoche (20. bis 26. Mai) lag sie bei 50.000 Genkopien von Sars-CoV-2 pro Liter Abwasser, verglichen mit 22.000 Anfang April und 829.000 auf dem Höhepunkt der letzten Winterwelle. Ein Anstieg ist erkennbar, doch ob er zu einer größeren Welle führt, ist ungewiss. Es ist noch unklar, ob Sars-CoV-2 einem strengen jahreszeitlichen Rhythmus folgen wird oder ob neue Mutationen diesen stören.
Die neue Virusvariante KP.2 scheint keinen Grund zur größeren Sorge zu geben. Verglichen mit JN.1 sind nur drei Aminosäuren im Spikeprotein, das die Viren zum Andocken an Zellen nutzen, verändert. Größere Veränderungen erschweren es dem Immunsystem, eine neue Variante abzuwehren. Ob eine neue Variante zu schwereren Verläufen führt, lässt sich schwer beantworten, da die vorherrschende Immunität der Bevölkerung entscheidend ist. Alarmierend wäre ein steiler Anstieg der Krankenhauseinweisungen, doch das ist derzeit nirgends der Fall. Vorsorge bleibt wichtig: "Wenn sich aus Risikogruppen niemand mehr impfen lässt, würde es zu mehr schweren Verläufen kommen“, warnt Wyler.