Angesichts des größten Corona-Ausbruchs seit Monaten haben die Behörden in China neue drastische Lockdown-Maßnahmen verhängt. Davon waren am Wochenende landesweit mehrere Millionen Menschen betroffen. Die nationale Gesundheitskommission in Peking führt den Anstieg der Infektionsfälle auf die Ausbreitung der hochansteckenden Delta-Variante zurück. Am Sonntag meldeten die Behörden landesweit 75 neue Fälle.
Neue Infektionsfälle wurden am Sonntag auf der bei Touristen beliebten Insel Hainan im Süden Chinas gemeldet. Neuansteckungen gab es außerdem in den Provinzen Ningxia und Shandong.
Der neue Ausbruch geht nach Einschätzung der chinesischen Gesundheitsbehörden auf einen Infektionsherd in der ostchinesischen Metropole Nanjing zurück, wo Einschränkungen für hunderttausende Menschen gelten. Dort waren vor knapp zwei Wochen neun Reinigungskräfte am internationalen Flughafen positiv auf das Coronavirus getestet worden. Seither weitete sich der Ausbruch auf 20 weitere Großstädte in mehr als einem Dutzend Provinzen aus.
Die hohe Ansteckungsfähigkeit der Delta-Variante in Kombination mit der Urlaubszeit und einem hohen Passagieraufkommen am Flughafen habe zu der schnellen Ausbreitung geführt, sagte am Samstag He Qinghua von der Nationalen Gesundheitskommission.
Besonders betroffen ist neben Nanjing die Touristenstadt Zhangjiajie in der Provinz Hunan. Dort gilt seit Freitag eine Ausgangssperre für alle 1,5 Millionen Einwohner. Sämtliche Sehenswürdigkeiten wurden geschlossen. Zhangjiajie ist berühmt für seine Felsformationen, vor denen Teile des Erfolgsfilms "Avatar" gedreht wurden.
Die Regierung in Peking verfolgt eine sogenannte Null-Covid-Strategie: Treten in einer Stadt oder Provinz kleine Cluster auf, werden die betroffenen Gebiete abgeriegelt und alle Einwohner auf das Virus getestet. In Nanjing wurden nach Behördenangaben bis Sonntag alle 9,2 Millionen Einwohner drei Mal getestet. Auch soll durch eine engmaschige Kontaktnachverfolgung nachvollzogen werden, wer in jüngster Zeit von Nanjing oder Zhangjiajie aus in andere Landesteile gereist ist.
Die Testung aller Einwohner wurde am Sonntag auch in der Metropole Zhengzhou angeordnet. Die Zehn-Millionen-Einwohner-Stadt in der Provinz Henan war im Juli von einer verheerenden Flutkatastrophe erschüttert worden, bei der mehr als 70 Menschen ums Leben kamen. Seither wurden in der Stadt 27 Neuansteckungen mit dem Coronavirus registriert, die offenbar auf zwei infizierte Reinigungskräfte eines Krankenhauses zurückgehen. Der Chef der städtischen Gesundheitskommission wurde gefeuert.
Insgesamt wurden in China im Juli 328 symptomatische Corona-Infektionen registriert - fast genauso viele wie im gesamten Zeitraum von Februar bis Juni. Der Sprecher der Nationalen Gesundheitskommission, Mi Feng, sagte am Samstag, die hochansteckende Delta-Variante erschwere die "Prävention und Kontrolle" im Kampf gegen das Coronavirus.
Dass einige der Infizierten zum Zeitpunkt der Ansteckung bereits gegen das Coronavirus geimpft waren, bezeichneten die Gesundheitsbehörden als "normal". Zwar sei die Schutzwirkung durch die Impfung mit der Ausbreitung der Delta-Variante "möglicherweise etwas gesunken", sagte der Virologe Feng Zijian vom Zentrum für die Kontrolle und Prävention von Krankheiten. Die Impfung habe aber nach wie vor einen "guten präventiven und schützenden Effekt".
Bis Freitag wurden in China nach Angaben der Gesundheitskommission mehr als 1,6 Milliarden Impfdosen verteilt. Wieviele Menschen inzwischen komplett geimpft sind, teilte die Kommission nicht mit.
by STR