Chemnitz soll für Deutschland Kulturhauptstadt Europas 2025 werden. Die frühere Industriestadt in Sachsen setzte sich im Rahmen eines von den Kulturministern der Bundesländer organisierten Verfahrens gegen die vier Konkurrenten Hannover, Hildesheim, Magdeburg und Nürnberg durch, wie die für die Auswahl zuständige europäische Jury am Mittwoch bekanntgab. Chemnitz ist damit die dritte deutsche Kulturhauptstadt Europas.
"Dieser Titel ist für Chemnitz die große Chance, viel zu geben und viel zu bekommen", erklärte die scheidende Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig (SPD) nach der Bekanntgabe. Sie erinnerte in diesem Zusammenhang an die rechtsextremen Demonstrationen und Ausschreitungen, die die Stadt im August 2018 international in die Schlagzeilen gebracht hatten.
Chemnitz könne durch den Titel zeigen, dass es nicht nur für "Bilder von Naziaufmärschen" stehe, sondern "eine aktive, vielfältige Stadtgesellschaft im internationalen Austausch" sei, betonte Ludwig. "Der Titel wird der Stadt einen Schub geben."
Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) nannte die Entscheidung zur Kulturhauptstadt Europas "ein Licht am europäischen Corona-Horizont". Zugleich betonte sie, dass Chemnitz der Titel "nach den verheerenden Ereignissen" von 2018 gut tun werde. Chemnitz habe gezeigt: "Kulturelle Vielfalt ist stärker als populistische Einfalt."
Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sprach von einer "unglaublichen Chance für Chemnitz". Chemnitz stehe auch dafür, "wie wichtig es ist, die Gefahr von Spaltungen zu überwinden und aktiv für unsere europäischen Werte und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt einzutreten".
Die Empfehlung des Auswahlgremiums bildet die Grundlage für die finale Entscheidung der Kulturminister von Bund und Ländern, die bis zum Jahresende fallen soll. Das Kulturhauptstädteprogramm ist eine EU-Initiative, mit der die Verbundenheit zur europäischen Kultur gefördert und deren Vielfalt verdeutlicht werden soll. Der Titel soll auch einen Beitrag zur Stadtentwicklung leisten, den Tourismus beleben und das Ansehen der Städte in den Augen der Bewohner verbessern.
Für das zweistufige nationale Auswahlverfahren ist eine Jury aus Vertretern von EU-Institutionen sowie Mitgliedsstaaten zuständig. Pro Jahr gibt es zwei Kulturhauptstädte aus zwei Mitgliedsstaaten. 2025 sind dies Slowenien und Deutschland. Die Entscheidung über die slowenische Partnerstadt erfolgt nach Angaben der EU im Dezember.
Die Vorsitzende der Jury, die österreichische Kulturexpertin und Kreativberaterin Sylvia Amann, rief auch die unterlegenen Bewerberstädte auf, ihr Engagement für Kultur und Europa fortzusetzen. "Europa braucht mehr denn je ein Klima der Offenheit und Solidarität", sagte sie. Kultur sei dabei auch ein Mittel zur Bewältigung der großen aktuellen Herausforderungen.
Das Kulturhauptstadtprogramm wurde Mitte der 80er Jahre ins Leben gerufen. Zunächst gab es eine Kulturhauptstadt pro Jahr. Später wurde diese Regel geändert, um dem gesamteuropäischen Gedanken mehr Raum zu geben. Heute gibt es zwei Kulturhauptstädte.
Zuletzt öffnete die EU das Verfahren zusätzlich weiter für Bewerber aus Partnerstaaten und potenziellen Beitrittsländern. In manchen Jahren wird es deshalb drei Kulturhauptstädte geben. In diesem Jahr tragen das kroatische Rijeka und die irische Stadt Galway den Titel.
Für Deutschland war bereits 1988 das damalige West-Berlin europäische Kulturhauptstadt. 2010 ging die Auszeichnung an Essen im Rahmen einer Gemeinschaftsbewerbung mit dem ganzen Ruhrgebiet.
by Odd ANDERSEN