Zehn Monate vor der Bundestagswahl haben CDU-Politiker eine Debatte über eine grundlegende Rentenreform angestoßen. Übereinstimmenden Berichten zufolge sieht das Konzept eines Bundesfachausschusses in der CDU vor, Beamte, Politiker und Selbstständige schrittweise in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen. Zudem plädiere der Ausschuss für eine längere Lebensarbeitszeit und einen kapitalgedeckten Rentenfonds, in den Teile der Beitragszahlungen fließen sollen. Der Sozialverband VdK begrüßte den Vorstoß für eine "Rente für alle".
Über das Papier des CDU-Bundesfachausschusses Soziale Sicherung und Arbeitswelt berichteten am Freitag die "Bild"-Zeitung und das Nachrichtenportal "The Pioneer". Demnach sollen ab dem Jahr 2030 Beamte im Alter von unter 30 Jahren in die Rentenkasse "integriert" werden. "Alle, die älter sind, bleiben in ihren bisherigen Versorgungswerken", zitierte die "Bild"-Zeitung aus dem Konzept.
Eine Anpassung der Regelaltersgrenze von 67 Jahren halten die Verfasser des Konzepts für grundsätzlich vorstellbar. "Bliebe alles wie es ist, wäre die Rente auf Dauer nicht finanzierbar", zitierte "Bild" aus dem Papier. Der Staatsfonds, in dem Teile der Beitragszahlungen angelegt werden, soll den Berichten zufolge ein Volumen von etwa 32 Milliarden Euro haben.
Auch die Beitragsbemessungsgrenze soll demnach steigen. Die Grenze des Bruttolohns, auf die Arbeitnehmer Beiträge für die Rente zahlen müssen, liegt 2020 im Westen bei 6900 Euro und im Osten bei 6450 Euro. Sie soll dem Konzept zufolge in zehn Stufen über zehn Jahre so angehoben werden, dass Rentenbeiträge auf das gesamte Gehalt fällig werden. Den Betreffenden sollen dann aber auch mehr Rentenpunkte angerechnet werden.
Aus der CDU hieß es, bei dem Konzept handele es sich um ein erstes Diskussionspapier des Bundesfachausschusses, das dort weiter diskutiert werde. Sobald der Ausschuss einen endgültigen Beschluss gefasst habe, werde das Papier in der Partei und den entsprechenden Gremien weiter beraten.
Der Bundestagsabgeordnete Kai Whittaker, einer der Vorsitzenden des CDU-Fachausschusses, sagte der Nachrichtenagentur AFP, er hoffe, dass es noch in diesem Jahr einen Beschluss geben werde. Er verwies darauf, dass der CDU-Parteivorstand den Ausschuss "explizit aufgefordert" habe, zum Thema Zukunft der Rente "frei über alles nachzudenken".
Der Sozialverband VdK zeigte sich erfreut, "dass die CDU die Forderung nach einer Erwerbstätigenversicherung aufgreift". Der VdK habe sich bereits in seiner Rentenkampagne #rentefüralle dafür stark gemacht, dass künftig auch Beamte, Selbstständige und Politiker in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen, erklärte Verbandspräsidentin Verena Bentele.
Der Linken-Rentenexperte Matthias Birkwald begrüßte "das erstmalige und klare Bekenntnis aus Kreisen der CDU zu einer Erwerbstätigenversicherung und zur perspektivischen Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze". Damit dürfe aber nicht erst 2030 begonnen werden. Der Vorschlag, Jahr für Jahr 32 Milliarden Euro an Beitragsgeldern über einen Staatsfonds in Aktien anzulegen, sei "angesichts deregulierter Finanzmärkte allerdings komplettes Harakiri", so Birkwald.
Kritik an dem CDU-Vorstoß kam von der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). "Wer die Eigenständigkeit der Beamtenversorgung antastet, legt auch die Axt an das Berufsbeamtentum selbst", erklärte der DPolG-Bundesvorsitzender Rainer Wendt. Damit stehe die Funktionsfähigkeit des Staates auf dem Spiel. Das "vom linken Parteiflügel stammende Papier" sei "mit Sicherheit nicht mehrheitsfähig und sogar gefährlich", so Wendt.
Whittaker wies den Vorwurf der einseitigen Zusammensetzung des CDU-Fachausschusses zurück. Das Gremium "rekrutiert sich aus allen Flügeln" der Partei, betonte er.
by Ronny Hartmann