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Bundeswehr nimmt Afghanistan-Luftbrücke in Betrieb

Bundesregierung sieht Rettungschancen für Ortskräfte pessimistisch

Unter schwierigen Bedingungen ist der Evakuierungseinsatz der Luftwaffe in Afghanistan angelaufen: Mit zwei Flugzeugen brachte sie am Dienstag rund 130 Menschen aus Kabul ins benachbarte Usbekistan. Weitere Flüge sollten folgen. "Wir nehmen alles mit, was vom Platz her in unsere Flugzeuge passt", sagte Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) in Berlin. Pessimistisch bewertete die Bundesregierung allerdings die Rettungschancen für die einheimischen Ortskräfte: Diese würden von den Taliban nicht zum Flughafen vorgelassen.

Die Evakuierungsaktion ausländischer Streitkräfte lief unter chaotischen Umständen an: Kramp-Karrenbauer bezeichnete die Landung der ersten deutschen Militärmaschine am Morgen als "echtes Husarenstück". Die Rollbahn sei nicht beleuchtet und auch nicht vollständig frei gewesen. Wegen der chaotischen Situation am Flughafen hatte die Maschine zuvor stundenlang über Kabul kreisen müssen, bevor sie landen konnte.

Mit der ersten Maschine wurden nur sieben Menschen ausgeflogen. Sie brachte aber Bundeswehr-Soldaten zur Absicherung der weiteren Evakuierungsflüge an den Flughafen Kabul. Ein zweites Flugzeug flog dann 125 Menschen aus, wie Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) am Nachmittag mitteilte. An Bord seien deutsche und afghanische Staatsbürger sowie Menschen aus anderen Ländern gewesen. Für Dienstag seien noch zwei weitere Flüge geplant.

Mit wachsender Sorge betrachtet die Bundesregierung das Schicksal der einheimischen Ortskräfte, die in Afghanistan für deutsche Stellen tätig waren. Die radikalislamischen Taliban hätten inzwischen die Zufahrten zum Flughafen abgeriegelt und Kontrollposten eingerichtet, an denen afghanische Staatsbürger zurückgewiesen würden - dies schreibt das Bundesverteidigungsministerium in einem auf Dienstag datierten Lagebericht für den Bundestag.

Durch die "Abriegelung des Flughafens für afghanische Staatsbürger" werde eine "Evakuierung ehemaliger afghanische Ortskräfte erschwert", heißt es in dem als "Verschlusssache" deklarierten Bericht, der AFP vorliegt.

Minister Maas berichtete am Nachmittag von gemeinsamen Bemühungen mit den USA, dafür zu sorgen, "dass die Ortskräfte auch an den Flughafen kommen". Einige Ortskräften hätten sich trotz der Kontrollen bis zum Flughafen durchschlagen können. Insgesamt habe sich die Lage dort "stabilisiert", sagte Maas. Deutsche Staatsbürger würden von den Taliban-Posten durchgelassen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte ein weiteres Bemühen um die Rettung von Ortskräften zu: "Deutschland möchte noch sehr vielen Menschen helfen, die uns geholfen haben."

Die Ausgeflogenen wurden von der Luftwaffe zunächst in die usbekische Hauptstadt Taschkent gebracht. Von dort sollen sie von Lufthansa-Chartermaschinen nach Deutschland geflogen werden - nach Angaben des brandenburgischen Innenministeriums, das die Aufnahme koordiniert, sollten die ersten ausgeflogenen Ortskräfte am Donnerstag in Deutschland ankommen.

Wie lange die Rettungsaktion dauern werde, konnte Kramp-Karrenbauer nicht sagen. Die Bundeswehr habe sich auf zwei Szenarien eingestellt: Beim ersten gebe nur einen sehr "kurzen Zeitslot" für die Evakuierungsflüge. Das zweite Szenario sehe vor, dass die Luftwaffe möglicherweise bis in die kommende Woche hinein "eine echte Luftbrücke" aufbauen könne, sagte die Ministerin.

Den bereits angelaufenen Einsatz will sich die Bundesregierung nachträglich vom Bundestag genehmigen lassen. Das Mandat sieht eine Obergrenze von bis zu 600 Soldaten vor. Am Mittwoch soll das Kabinett die Vorlage absegnen, das Votum des Bundestags ist für kommende Woche geplant.

Am Flughafen von Kabul hatten sich am Montag chaotische Szenen abgespielt. Tausende Menschen versuchten verzweifelt, an Bord von Evakuierungsflugzeugen zu gelangen.

by Wakil Kohsar