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Bundesverfassungsgericht weist Beschwerde zu Geschlechterparität im Bundestag ab

Keine Grundsatzentscheidung über Verfassungsmäßigkeit von Paritätsgesetzen

Im schwelenden Streit um die Parität der Geschlechter im Bundestag hat sich das Bundesverfassungsgericht geäußert: Die Karlsruher Richter wiesen eine Klage von Frauen ab, die gesetzlich regeln lassen wollten, dass Parteien ihre Wahllisten abwechselnd mit Männern und Frauen besetzen müssen. Sie hätten nicht hinreichend begründet, dass der Gesetzgeber zum Handeln verpflichtet sei, entschied das Gericht laut Mitteilung vom Dienstag. (Az. 2 BvC 46/19)

Die Klägerinnen hatten zuerst Einspruch gegen die Bundestagswahl von 2017 eingelegt. Seit dieser Wahl beträgt der Anteil von weiblichen Abgeordneten nur noch 31 Prozent. Dass Frauen und Männer nicht paritätisch nominiert würden, verletze sowohl die Gleichberechtigung als auch das Grundrecht auf passive Wahlgleichheit – also Chancengleichheit – und das Demokratieprinzip, argumentierten die Klägerinnen.

Das geltende Recht benachteilige Frauen. Diese seien dadurch im Parlament unterrepräsentiert. Nachdem der Bundestag den Einspruch im Mai 2019 zurückgewiesen hatte, zogen die Frauen mit einer Wahlprüfungsbeschwerde vor das Bundesverfassungsgericht.

Das Gericht folgte ihrer Argumentation jedoch nicht. Die Klage sei unzulässig, entschied es. Die Klägerinnen hätten nicht dargelegt, dass der Gesetzgeber für die passive Wahlrechtsgleichheit Parität bei den Listen durchsetzen müsste. Eine solche Anordnung könnte sogar der Chancengleichheit widersprechen – mit dieser Frage setze sich die Klage aber nicht ausreichend auseinander.

Ebensowenig mache sie deutlich, warum das Demokratieprinzip eine gesetzliche Regelung gebiete. Für die Vertretung des Volks komme es nicht darauf an, “dass sich das Parlament als verkleinertes Abbild” der Wählerschaft darstelle, teilte das Gericht mit. Die Beschwerdeführerinnen hätten sich auch nicht genügend damit auseinandergesetzt, ob durch ein Paritätsgesetz in die Grundsätze der Freiheit und Gleichheit der Wahl und der Parteienfreiheit eingegriffen werde.

Ob ein solches Gesetz grundsätzlich verfassungsgemäß wäre, entschieden die Karlsruher Richter aber nicht. Politisch ist die Frage seit Langem umstritten. Grüne und Linke besetzen ihre Wahllisten freiwillig paritätisch, die SPD hat eine Quote von mindestens 40 Prozent. Eine zunächst geplante Wahlrechtsreform konnte aber im Bundestag nicht durchgesetzt werden, auch für eine Kommission zum Thema fand sich keine Mehrheit. Paritätsgesetze in Brandenburg und Thüringen scheiterten vor den dortigen Verfassungsgerichten.

Die Reaktionen auf den Gerichtsbeschluss aus der Politik fielen gemischt aus. Die Chefin der SPD-Frauenorganisation ASF, Maria Noichl, und die frühere parlamentarische Staatssekretärin Elke Ferner (SPD) erklärten, es sei und bleibe eine politische Entscheidung, “ob und wie eine paritätische Besetzung der Parlamente durch das Wahlrecht erreicht werden kann”. Wer eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an den politischen Entscheidungen sicherstellen wolle, müsse sich klar zu einem Paritätsgesetz bekennen, Vorschläge machen und das Wahlrecht ändern.

Susanne Hennig-Wellsow, Linksfraktionschefin im Thüringer Landtag und Kandidatin für den Vorsitz der Bundespartei, formulierte ebenfalls, dass geschlechterparitätische Regelungen im Wahlrecht eine politsche Entscheidung blieben. Bislang hätten sich alle Bundesregierungen weggeduckt. Das müsse sich nach der nächsten Wahl ändern. Es sei “eine Frage der Gerechtigkeit”, dass Frauen auch in der Politik gleichberechtigt vertreten seien, erklärte Hennig-Wellsow.

Die stellvertretende Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, Beatrix von Storch, begrüßte die Entscheidung des Gerichts. Frauen und Männer würden in jeder Hinsicht vom Gesetz gleich behandelt, teilte sie mit. “Und weil das so selbstverständlich ist, brauchen wir keine paritätischen Listenaufstellungen der Parteien zur Bundestagswahl.” Die Entscheidung habe die Demokratie gegenüber “sozialistischer Gleichmacherei” gestärkt.

by Von Sarah Maria BRECH

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