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Bundesverfassungsgericht verfügt Erhöhung von Rundfunkgebühren

Sender mit Beschwerden erfolgreich – Sachsen-Anhalt blockierte Steigerung

Mit erfolgreichen Verfassungsbeschwerden haben die öffentlich-rechtlichen Sender für eine Erhöhung der Rundfunkgebühren gesorgt. In einem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss gab das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ihren Beschwerden statt und verfügte eine Steigerung um 86 Cent auf 18,36 Euro pro Monat ab dem 20. Juli. Die von den Landesregierungen beschlossene Erhöhung hatte bisher auf Eis gelegen, weil eine Mehrheit im Landtag von Sachsen-Anhalt fehlte.

Die Landesregierung in Magdeburg hatte deshalb im Dezember die Vorlage für den gemeinsam von allen Bundesländern vorbereiteten Staatsvertrag zur Erhöhung der Gebühren zurückgezogen. Dieser kann erst in Kraft treten, wenn ihn alle 16 Landtage ratifziert haben. Das Verfassungsgericht stellte indes klar, dass die Festsetzung der Rundfunkbeiträge “frei von medienpolitischen Zwecksetzungen” erfolgen müsse. Die Länder als Gesetzgeber hätten sicherzustellen, dass die Sender ihren Funktionsauftrag durch eine “bedarfsgerechte Finanzierung” erfüllen könnten.

Bei der Finanzierung der Sender bildeten die Länder zugleich eine “förderale Verantwortungsgemeinschaft”, aus der ein Land nicht ohne Weiteres ausscheren könne, erklärten die Richter. Komme ein Bundesland dieser Pflicht nicht nach und verhindere dadurch die grundgesetzlich vorgeschriebene Bedarfssicherung, liege eine Verletzung der Rundfunkfreiheit vor. Die Ländern befänden sich in dieser Frage in einer “Mitgewährungspflicht” für die gemeinsam vereinbarten Erhöhungen der Rundfunkgebühren.

Die Spitzen der Sender ARD, ZDF und Deutschlandradio begrüßten das Urteil. Der Beschluss der Richter stärke die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, erklärte ZDF-Intendant Thomas Bellut in Mainz. Auch aus den anderen Bundesländern kam Lob. Die Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder, die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), erklärte, sie begrüße die Entscheidung “in ihrer Klarheit”. Die Länder müssten die Sender finanziell zukunftssicher aufstellen.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) drang nach dem Urteil auf grundlegende Reformen bei der Ermittlung des Finanzbedarfs der öffentlich-rechtlichen Sender. Es bleibe bei einer “Dilemmasituation”, sagte er in Magdeburg. Es werde auch künftig zu Situationen kommen, in denen “frei gewählte Abgeordnete” in Landtagen Gebührenerhöhungen nicht zustimmen wollten. Bedauerlicherweise enthalte der aktuelle Beschluss aus Karlsruhe keinen “Innovationshinweis” zur Lösung des Problems.

Das in Deutschland etablierte Verfahren sieht vor, dass der von den Rundfunksendern ermittelte zukünftige Finanzbedarf durch die sogenannte Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) überprüft wird. Diese empfiehlt der Ministerpräsidentenkonferenz der Länder Erhöhungen. Stimmen die Regierungschefs zu, müssen abschließend die Landtage zustimmen.

Im Magdeburger Landtag fehlte nicht zuletzt wegen Vorbehalten in der regierenden CDU eine Mehrheit, weshalb die Regierung unter Haseloff die Abstimmung letztlich absagte. Das hatte auch zu massiven Spannungen innerhalb der regierenden Kenia-Koalition mit SPD und Grünen geführt. Zeitweise stand ein Bruch im Raum.

Das Verfassungsgericht betonte in seinem Urteil, das Verfahren zur Deckung des Finanzbedarfs der öffentlich-rechtlichen Sender müsse frei von Versuchen der politischen Einflussnahme auf die Programmgestaltung sein. Auf die inhaltliche Ausrichtung dürften die Länder allein im Rahmen der separaten Rundfunkgesetzgebung Einfluss nehmen. Im Zuge der Debatten im Magdeburger Landtag war unter anderem etwa mit der Forderung argumentiert worden, Ostdeutschland müsse in der Berichterstattung wichtiger werden.

Haseloff sagte am Donnerstag, letztlich sei die “Akzeptanz” der Bürger und der Parlamente entscheidend für den Rückhalt der Sender, deren Bedeutung für die “Demokratiestabilität” in Deutschland unbestritten sei. Im Zuge der ohnehin laufenden Reformdebatten müssten deshalb Verfahren gefunden werden, die dies sicherten. Das Vorgehen seines Landes habe diesen Prozess gefördert. Das Verfahren habe sich “unter dem Strich gelohnt”.

Durch seinen Beschluss setzte das Verfassungsgericht zugleich die eigentlich schon zum 1. Januar vereinbarte Erhöhung der monatlichen Rundfunkgebühren auf 18,36 Euro in Kraft. Stichtag ist der 20. Juli. Eine neuerliche Befassung der Länder mit dem Thema ist nicht erforderlich. Der Beschluss der Richter gilt so lange, bis die Länder einen neuen Staatsvertrag zur Regelung der Gebühren vereinbaren. Wie die Länder weiter vorgehen, ist offen. (Az. 1 BvR 2756/20, 1 BvR 2775/20 sowie 1 BvR 2777/20)

by David GANNON

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