Nach den Störaktionen von Gästen der AfD-Fraktion machen Bundestagsabgeordnete der anderen Fraktionen den Rechtspopulisten schwere Vorwürfe. Es handele es sich um einen "Angriff auf das freie Mandat", der sich in die generelle Strategie der AfD einreihe, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer (CDU). Seine Grünen-Kollegin Britta Haßelmann sprach von einem "Tabubruch". Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) prüft "alle rechtlichen Möglichkeiten" - gegen die Störer und gegen ihre Einlader.
Während der Debatte über das neue Infektionsschutzgesetz im Bundestag waren am Mittwoch mehrere Besucher unangenehm aufgefallen, die sich als Gäste von AfD-Abgeordneten im Parlamentsgebäude bewegten. Politiker anderer Fraktionen berichteten von Pöbeleien und Bedrängung.
Politiker seien "massiv bedrängt, aggressiv gefilmt und, so legen es die Aufnahmen nahe, übelst beleidigt" worden, sagte Grosse-Brömer am Freitag in einer Aktuellen Stunde des Bundestags zu den Vorfällen. Er warf der AfD vor, die Störer "eingeschleust" zu haben.
"Was wir diese Woche erlebt haben, war kein Einzelfall, der zufällig passiert ist", betonte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese. Vielmehr passe es "in das System, wie die AfD hier im Bundestag auftritt."
Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Marco Buschmann, sagte, die "Unruhestifter" hätten "ein Klima der Bedrängung und Bedrohung" erzeugen wollen. Auch er zeigte sich überzeugt, dass die AfD vorab wusste, was die Störer vorhatten. "Glauben Sie ja nicht, dass wir uns das gefallen lassen", rief Buschmann Richtung AfD.
"Die demokratische Gesellschaft muss unser Land vor der AfD schützen", sagte die Linke-Abgeordnete Petra Pau. Sie erneuerte die von vielen Abgeordnete geäußerte Kritik an der Nutzung des Begriffs "Ermächtigungsgesetz" für das neue Infektionsschutzgesetz, unter anderem durch die AfD. Diese Rhetorik "verharmlost den Faschismus und verhöhnt seine Opfer".
AfD-Fraktionschef Alexander Gauland wies alle Vorwürfe zurück. Das Verhalten der Störer sei "unzivilisiert" gewesen "und gehört sich nicht. Dafür entschuldige ich mich." Die AfD-Fraktion hätte "diese Besucher beaufsichtigen sollen". Jedoch sei die Unterstellung, seine Fraktion habe im Vorhinein Bescheid gewusst, "infam".
"Die Abgeordneten der AfD wussten ganz genau, wen sie einladen, und sie wussten, was deren Absicht ist", sagte dagegen Haßelmann. "Diese Personen waren nicht zum ersten Mal eingeladen." Dass die Störer die Abgeordneten an der Ausübung ihres freien Mandats hätten hindern wollen, sei ein "gravierender Vorfall" und ein "Tabubruch".
Bundestagspräsident Schäuble kündigte Konsequenzen an. Er habe die Verwaltung gebeten, "alle rechtlichen Möglichkeiten zu prüfen, gegen die Täter und diejenigen vorzugehen, die ihnen Zugang zu den Liegenschaften des Bundestags verschafft haben", hieß es in einem Schreiben an alle Abgeordneten.
Dem Brief war ein Bericht der Bundestagspolizei zu den Vorfällen am Mittwoch beigefügt. Darin wird beschrieben, wie insgesamt vier von AfD-Abgeordneten eingeladene Gäste unter anderem unerlaubt Videoaufnahmen machten und diese teils live im Internet übertrugen. Abgeordnete seien bedrängt worden. Zudem sei versucht worden, "in Büroräumen von Fraktionsvorsitzenden unangemeldet Unterschriften und Petitionen" zu übergeben.
Einer der vier AfD-Gäste war laut dem Polizeibericht ein alter Bekannter: Er sei "aufgrund von anlässlich früherer Besuche festgestellter Verstöße gegen die Hausordnung bereits am Vortag im Rahmen einer polizeilichen Ansprache auf die Pflicht zur Beachtung der Regeln der Hausordnung hingewiesen worden".
by Tobias SCHWARZ