Der Bundestag hat eine neuerliche Anhebung der Obergrenze für die staatliche Parteienfinanzierung beschlossen. Mit Ausnahme der AfD stimmten am Freitag alle Fraktionen für die Erhöhung auf 184,8 Millionen Euro und begründeten dies mit "veränderten Rahmenbedingungen", unter denen Parteien heute agieren müssten. Der Bundestag reagiert damit auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Januar, das eine 2018 von der großen Koalition beschlossene Anhebung auf 190 Millionen Euro noch gekippt hatte.
Die neuerlich angehobene absolute Obergrenze auf 184,8 Millionen Euro soll nun rückwirkend ab 2018 gelten. Zudem ist - ebenso rückwirkend und auch künftig - eine jährliche Progression vorgesehen, die unter anderem die Inflation berücksichtigt.
Die Anhebung sei "mit Blick auf die erweiterten Anforderungen an die politische Arbeit und die gestiegenen Partizipationsansprüche innerhalb der Parteien geboten", heißt es in dem Gesetzentwurf. Der "finanzielle Mehrbedarf" ergebe sich konkret insbesondere aus den Kosten für Internetauftritte, den Kampf gegen Fake News und Hackerangriffe, für Maßnahmen zum Datenschutz und zur IT-Sicherheit, Social Media und andere neue Kommunikationskanäle, heißt es darin weiter.
Damit demokratische Parteien in den öffentlichen Debatten auf digitalen Plattformen und sozialen Medien wahrnehmbar und relevant sein könnten, müssten sie "massiv in die digitale Kommunikation investieren", sagte Dietmar Nietan (SPD) in der Plenardebatte. Parteiendemokratie müsse "wehrfähig sein gegenüber Angriffen auf die freiheitliche Demokratie", sagte die CDU-Abgeordnete Julia Klöckner.
Irene Mihalic von den Grünen sagte, gerade in Zeiten, in denen sich der Diskurs massiv verändert habe und extremistische Kräfte an Zulauf gewönnen, sei es umso wichtiger, politische Parteien so aufzustellen, dass sie ihren verfassungsgemäßen Auftrag erfüllten.
Im Sommer 2018 hatte der Bundestag mit den Stimmen der damals regierenden großen Koalition aus Union und SPD die staatliche Parteienfinanzierung um etwa 25 Millionen Euro auf 190 Millionen Euro erhöht. Dieses Plus sei nicht ausreichend begründet worden und damit verfassungswidrig, urteilte das höchste deutsche Gericht Ende Januar dieses Jahres. Es gab damit 216 Abgeordneten von FDP, Grünen und Linkspartei Recht, die einen Normenkontrollantrag gegen die Anhebung einlegten.
Aus dem Grundsatz der Staatsfreiheit der politischen Parteien folge, "dass eine Steigerung der von ihnen erzielten Einnahmen nicht dazu führen darf, dass der Umfang der Staatsfinanzierung immer weiter anschwillt", sagte Doris König, Vorsitzende des Zweiten Senats, damals zur Begründung.
Mit dem neuen Gesetz komme der Bundestag nun "der Begründungspflicht nach" und lege "den Mehrbedarf durch die Digitalisierung auch in der Vergangenheit dar", sagte nun der FDP-Abgeordnete Stefan Thomae. "Wir heilen somit den Fehler aus der früheren Gesetzgebung."
Die AfD war mit einer separaten Klage gegen die von der großen Koalition beschlossenen Aufstockung der Parteien vorgegangen, scheiterte damit aber vor dem Bundesverfassungsgericht. Digitalisierung solle alles schneller, billiger und effizienter machen, diene aber im Parteienfinanzierungsgefüge "plötzlich dazu, schamlos in die Steuerzahlerkassen zu greifen", sagte der AfD-Abgeordnete Stephan Brandner am Freitag im Bundestag.
Der beschlossene Gesetzentwurf verpflichtet die Parteien auch, Einnahmen aus Sponsoring künftig ab einer Bagatellgrenze gesondert im Rechenschaftsbericht aufzuführen. Um mehr Transparenz bei der Parteienfinanzierung herzustellen, soll zudem der Schwellenwert von Spenden, die der Bundestagspräsidentin unverzüglich mitzuteilen und von dieser zeitnah zu veröffentlichen sind, von 50.000 Euro auf 35.000 Euro gesenkt werden.
hol/pw