Internetriesen sollen ihre Marktmacht in Deutschland nicht mehr unbeschränkt ausnutzen dürfen: Der Bundestag beschloss am Donnerstag eine Gesetzesnovelle zum digitalen Wettbewerbsrecht, die unter anderem dem Bundeskartellamt mehr Ermittlungsbefugnisse und leichteren Zugriff auf marktrelevante Digitalunternehmen gewährt. "Unsere Arbeit wird uns jetzt ein Stück weit leichter gemacht", sagte Behördenpräsident Andreas Mundt im RBB-Inforadio und kündigte ein härteres Vorgehen gegen große Internetkonzerne an.
Die Änderungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) sollen den Wettbewerb in der schnelllebigen digitalen Welt besser schützen und dem Missbrauch der Marktmacht von Unternehmen mit sogenannter überragender marktübergreifender Bedeutung vorbeugen. Unter anderem soll großen Online-Händlern künftig untersagt sein, eigene Produkte auf ihrer Plattform besser zu stellen als die von Wettbewerbern - etwa bei der Darstellung der Suchergebnisse.
Wettbewerbshüter sollen die Einhaltung der Regeln effektiver kontrollieren und leichter einstweilige Maßnahmen ergreifen können, um den Wettbewerb frühzeitig zu schützen. So könne das Kartellamt künftig auch auf Märkten einschreiten, welche betroffene Großkonzerne noch nicht kontrollieren, sagte Mundt dem RBB. "Wir müssen jetzt nicht warten, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist, sondern wir können rechtzeitig unsere Waffen zücken."
Der Kartellamtschef rechnet mit anstrengenden Auseinandersetzungen vor Gericht. Ein entschlossenes Vorgehen sei aber wichtig, denn derzeit gebe es fast keinen fairen Wettbewerb mehr im Netz, sagte er. Das neue Gesetz soll hier Abhilfe schaffen und sieht für die Kartellwächter auch Erleichterungen bei der Fusionskontrolle vor. Gleichzeitig sollen Unternehmen mehr Rechtssicherheit bei der gemeinsamen Nutzung von Daten oder dem Aufbau von Plattformen bekommen.
Der wirtschaftspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Joachim Pfeiffer (CDU), sprach von einem der wichtigsten wirtschaftspolitischen Projekte der aktuellen Legislaturperiode. Das GWB-Digitalisierungsgesetz sei "echte Pionierarbeit mit Vorbildfunktion weit über Deutschland hinaus" und "unsere Antwort auf die teilweise monopalartigen Strukturen in der Digitalwirtschaft". Der funktionierende Wettbewerb auf den digitalen Märkten sei in Gefahr, warnte Pfeiffer.
"Nun kann das Bundeskartellamt endlich proaktiv gegen Unternehmen vorgehen, die ihre Marktmacht missbrauchen", lobte der Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller. Das GWB helfe, Plattformen wie Amazon und Google "in die Schranken zu weisen", und schaffe mehr Wahlfreiheit für Verbraucher.
Das Gesetz sei "ein Meilenstein" für fairen Wettbewerb in der Datenwirtschaft und "betrifft viele unserer Handwerksunternehmen, da für sie Plattformen ein immer wichtigerer Absatz- und Kommunikationskanal werden", erklärte der Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), Holger Schwannecke.
Der Digitalverband Bitkom dagegen kritisierte, die Novelle drohe datengetriebene Geschäftsmodelle im Netz auszubremsen. "Unternehmen werden sich gut überlegen müssen, ob sie in innovative Lösungen investieren, wenn sie die daraus gewonnen Erkenntnisse anschließend mit Wettbewerbern teilen müssen." Aufsichtsbehörden sollten zudem "nur bei eindeutigem Marktversagen in den Wettbewerb eingreifen".
"Das Eingreifkriterium sollte weiterhin der Missbrauchsvorwurf, nicht schon das bloße Vorliegen einer kritischen Marktmacht sein", erklärte auch der Bundesverband der Deutschen Industrie. Er kritisierte außerdem einen nationalen Alleingang der Bundesregierung vor einer entsprechenden EU-Regelung. Deutschland gefährde dadurch "deutsche Industrieplattformen in ihrem Wachstum".
by DENIS CHARLET