Die Bundesregierung unterstützt die Automobilindustrie mit weiteren drei Milliarden Euro. Wie aus einer Mitteilung von Regierungssprecher Steffen Seibert vom Dienstagabend hervorgeht, stellt sie der Branche damit insgesamt rund fünf Milliarden Euro zur Verfügung. Seibert begründete die neuen Hilfen mit einem "langfristigen Strukturwandel", der "große Herausforderungen" mit sich bringe.
Gleichzeitig räumte Seibert ein, dass die Autoindustrie "nach starken Absatzeinbrüchen in der ersten Jahreshälfte" nun wieder "erste Anzeichen der Erholung" zeige. Bereits zuvor waren Hilfen in Höhe von zwei Milliarden Euro aus dem Konjunkturpaket für die Zulieferindustrie zugesagt worden.
Zusätzlich kündigte Seibert nun eine Milliarde Euro für einen "Zukunftsfonds Automobilindustrie" an. Ziel des Fonds sei es, mittel- und langfristige "Transformationsstrategien" für die Automobilindustrie zu erarbeiten. Dabei wolle man Kräfte bündeln und ein "Zusammenwirken von Bundes-, Landes- und Regionalebene, aber zugleich von Wirtschaft, Gewerkschaften" und Wissenschaft erreichen.
Außerdem werde die sogenannte Innovationsprämie bis 2025 verlängert, was etwa einer weiteren Milliarde Euro an Hilfen für die Industrie entspricht. Die Regierung hatte ihre Kaufprämie für reine Elektrofahrzeuge und Plug-in-Hybride bereits im Sommer bis Jahresende 2021 verlängert.
Eine weitere Milliarde Euro Hilfen ergibt sich demnach durch ein geplantes Flottenerneuerungsprogramm von LKW. Zur Hälfte gingen diese Gelder an das Bundesverkehrsministerium zur Neubeschaffung von LKW; die andere Hälfte erhielten Unternehmen, um die eigenen Flotten zu erneuern.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) tauschte sich am Dienstagabend erneut mit Vertretern der Automobilindustrie zur Zukunft der Branche in Deutschland aus. Teilnehmer des virtuellen Autogipfels im Rahmen der sogenannten Konzertierten Aktion Mobilität waren zudem mehrere Bundesminister und Ministerpräsidenten sowie neben Gewerkschaftsvertretern auch die Spitzen von Union und SPD.
Ein Sprecher der Klimaschutzbewegung Fridays for Future (FFF) kritisierte das Investitionspaket als "Blockade in der Mobilitätswende". Insbesondere verurteilte er die "Kaufprämie für dreckige Hybride". Die Regierung und die zum Autogipfel eingeladenen Lobbyistinnen würden damit "die nachhaltige Transformation der Autobranche" verschleppen, sagte er der Nachrichtenagentur AFP. Dies schade am Ende nur den Beschäftigten.
Bereits im Vorfeld des Gipfels hatte der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag, Cem Özdemir (Grüne), kritisiert, dass sich die Bundesregierung bislang "von Autogipfel zu Autogipfel hangelt." Damit allein könne man "keine Transformation unserer wichtigsten Industrie erfolgreich gestalten", sagte Özdemir.
Auch die Umweltschutzorganisation BUND hatte vor weiteren "Steuergeschenken" an die Automobilbranche gewarnt. Eine Verlängerung der bestehenden Förderung des Kaufs von Elektroautos und Plug-in-Hybriden über das Jahr 2021 hinaus sei "inakzeptabel", erklärte BUND-Verkehrsexperte Jens Hilgenberg. Besonders bei den nur teilweise elektrisch fahrenden Plug-in-Hybriden sei die Förderung unter Gesichtspunkten des Klimaschutzes "fatal".
Die Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, widersprach dieser Einschätzung. Sie nannte die Hilfen der Bundesregierung einen "wichtigen Beitrag". Die Verlängerung der Innovationsprämie sowie die anderen Instrumente würden "dem Klimaschutz und der Wirtschaftskraft" helfen, erklärte Müller. Das gelte vor allem für das Flottenaustauschprogramm.
Die Branche steht derzeit unter Druck: Während einerseits die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise vor allem viele Zulieferer in Bedrängnis bringt, wachsen andererseits die Anforderungen an Klimaschutz und Emissionen. Für Diskussionen gesorgt hatten zuletzt neben dem Ausbau des Ladenetzes für Elektroautos auch Forderungen nach einer Lkw-Abwrackprämie.
by John MACDOUGALL