Der Kreml kündigt an, eine neue Welle der Mobilisierung zu starten. Doch wie lange kann Putin überhaupt noch Krieg führen? Laut Experten der Bundesregierung könnte Putin noch lange Zeit Krieg führen, zumindest was die Anzahl der Soldaten betrifft, denn hier gibt es noch erhebliche Reserven.
Um die hohen Verluste der russischen Armee in der Ukraine auszugleichen, hatte Putin bereits im letzten Herbst ein Dekret zur Teilmobilmachung erlassen: 300.000 Reservisten sollten einberufen werden. Diese rasche Mobilisierung wurde jedoch eher als eine kurzfristige Maßnahme angesehen, um den Vorstoß der ukrainischen Streitkräfte abzuwehren. Diese hatten in den Regionen Charkiw und Cherson beträchtliche Geländegewinne erzielt und den russischen Invasoren erhebliche Verluste zugefügt. Um einen Zusammenbruch der Front im Süden und Osten zu verhindern, musste die Armeeführung viele Reservetruppen einsetzen. Tatsächlich gelang es den Invasionsstreitkräften, die Front zu stabilisieren und ausgedehnte Verteidigungsstellungen zu errichten.
Die neuen Militärgesetze des Kreml gehen jedoch noch weiter. Die russische Armee kann nun auf noch mehr Reservisten zugreifen, da die Altersgrenze angehoben wird: Mannschaftsdienstgrade können jetzt bis zum Alter von 40 Jahren wieder eingezogen werden, Offiziere können in verschiedenen Stufen sogar bis zum Alter von 70 Jahren erneut zum Dienst an der Waffe verpflichtet werden. Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu hat als vorläufiges Ziel angegeben, die Anzahl der aktiven Soldaten um weitere 400.000 auf anderthalb Millionen zu erhöhen. Experten der Regierung warnen jedoch vor den Plänen Putins für die Armee. Allerdings ist die Erhöhung des Wehrpflichtalters auf 30 Jahre bemerkenswert. Dies weist nach Meinung von Experten auf eine weitere Militarisierung der Gesellschaft hin. Laut Einschätzung der Bundesregierung könnte Russland die Anzahl der aktiven Soldaten auf bis zu drei Millionen erhöhen, falls der Verlauf des Krieges in der Ukraine es erfordert: In Moskau ist man bereit, den Krieg noch zwei oder drei Jahre fortzusetzen.
Die russische Armee würde dann über mehr aktive Soldaten verfügen als die Streitkräfte Chinas. Obwohl der Ausbildungsstand vieler dieser Soldaten wahrscheinlich nicht sehr hoch ist und die russischen Streitkräfte massive Probleme mit ihrer Ausrüstung haben, warnen die Experten davor, eine solche Militarisierung der russischen Gesellschaft zu unterschätzen. Auch wenn es angesichts des bisherigen Kriegsverlaufs eher unwahrscheinlich ist, dass die russischen Truppen in der Ukraine irgendwann wieder entscheidend in die Offensive gehen, sollte dieses Szenario nicht völlig ausgeschlossen werden. In diesem Fall, so die Warnung der Experten, könnten irgendwann Hunderttausende russische Soldaten mit mehrjähriger Kriegserfahrung an der Ostflanke der NATO stehen.