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Bundesregierung beobachtet Ereignisse in Russland "sehr aufmerksam"

Die Konfrontation in Russland zwischen der Führung des Landes und den Wagner-Söldnern hält Regierungen weltweit in ihrem Bann. "Die Entwicklungen in Russland beobachten wir seit gestern Abend sehr aufmerksam", erklärte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Samstag im Kurzbotschaftendienst Twitter. Deutschland stehe "in engstem Austausch dazu mit unseren internationalen Partnern". Das Auswärtige Amt rät nun auch von Reisen in das Stadtzentrum von Moskau ab.

Vize-Regierungssprecherin Christiane Hoffmann schrieb auf Twitter, es sei "sehr interessant", dass Russlands Präsident Wladimir Putin die Lage "mit 1917" verglichen habe, dem "Vorabend der Revolution" in Russland. Tatsächlich betonte der Kreml-Chef in einer Ansprache am Samstag mit Blick auf die Zeit des Ersten Weltkriegs, er werde einen Bürgerkrieg in Russland nicht zulassen.

Auch die EU verfolge die Entwicklung der Lage "genau", schrieb EU-Ratspräsident Charles Michel auf Twitter. Er stand demnach mit den europäischen Staats- und Regierungschef in Kontakt und auch den G7-Partnerländern, zu denen die USA, Kanada und Japan gehören. Frankreich, Italien und Großbritannien teilten gleichfalls explizit mit, dass sie die Lage in Russland ständig verfolgten. Rom rief seine Staatsbürger in Russland auf, "vorsichtig" zu sein.

Am Freitagabend war der seit langem schwelende Machtkampf zwischen dem russischen Söldnerführer Jewgeni Prigoschin und der russischen Militärführung eskaliert. Kämpfer von Prigoschins Söldnertruppe Wagner marschierten von der Ukraine aus nach Russland ein und übernahmen am Samstag nach eigenen Angaben die Kontrolle über Militäreinrichtungen im südrussischen Rostow. Russlands Präsident Wladimir Putin nannte den Aufstand der Wagner-Söldner am Samstag eine "tödliche Bedrohung" und kündigte an, sie würden als "Verräter" bestraft. 

Angesichts der sich überschlagenden Ereignisse ist eine Einschätzung der Lage in Russland und der Auswirkungen auf den Ukraine-Krieg schwierig. Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt (CDU), sagte im Deutschlandfunk, er halte "in den nächsten Wochen und Monaten in Russland alles für möglich - leider eben auch blutige innere Kämpfe".

"In jedem Fall schwächt es Russland im Kampf gegen die Ukraine", zeigte sich Hardt überzeugt. "Diese Söldner-Truppen sind ja jetzt nicht mehr im Einsatz gegen die ukrainischen Streitkräfte, sondern sie sind sozusagen aus ukrainischer Sicht neutralisiert." Komme es zum offenen Konflikt zwischen russischem Militär und Wagner-Söldnern, würden auch reguläre russische Kräfte durch den Aufstand gebunden und könnten nicht in der Ukraine zum Einsatz kommen.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth (SPD) sprach auf Twitter von einer "Demütigung Putins" vor den Augen der Weltöffentlichkeit. Er könne nicht sagen, "ob das russische Verbrecherregime ernsthaft wankt". Aber in einer "knallharten Diktatur" komme es "einem Super-GAU gleich, wenn jemand die Macht des absoluten Herrschers infrage stellt". 

Deutsche Staatsangehörige in Russland sollten "unbedingt unsere angepassten Reise- und Sicherheitshinweise beachten", schrieb Außenministerin Baerbock auf Twitter. "In Moskau sollten staatliche, insbesondere militärische Einrichtungen weiträumig umgangen werden", heißt es in den Hinweisen. "Das Stadtzentrum sollte bis auf Weiteres gemieden werden."

"Auf Grund aktueller Ereignisse" sollten schon bisher von einer Teilreisewarnung betroffene "Verwaltungsgebiete und insbesondere die Stadt Rostow sowie das Umland gemieden werden", heißt es in den Reisehinweisen weiter. Die Teilreisewarnung umfasst die an die Ukraine grenzenden Verwaltungsgebiete Belgorod, Kursk, Brjansk, Woronesch, Krasnodar und auch Rostow, wo die Wagner-Söldner in der gleichnamigen Hauptstadt nach eigenen Angaben die Kontrolle über Militäreinrichtungen übernommen haben.

mt/cp