Die Bundesländer sind angesichts steigender Infektionszahlen uneins über das weitere Vorgehen in der Coronakrise. "Wir müssen die Zügel wieder anziehen und nicht die Zügel lockern", sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Montag in München vor Journalisten. "Die Situation ist in den Bundesländern sehr verschieden", sagte der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) dagegen im Deutschlandfunk. Am Montagnachmittag beraten die Gesundheitsminister von Bund und Ländern, am Donnerstag treffen die Ministerpräsidenten auf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Das bevorstehende Treffen mit der Bundeskanzlerin sei dabei eine "ganz wichtige Weggabelung" für die weitere Entwicklung des Infektionsgeschehens, sagte Söder. Er nannte die aktuelle Entwicklung mit steigenden Infektionszahlen "besorgniserregend". Er habe die große Sorge, dass Corona wieder auf dem Sprung zu einer exponentiellen Verbreitung der Infiziertenzahlen sei. Am Samstag hatte das Robert-Koch-Institut erstmals seit April mehr als 2000 Neuinfektionen an einem Tag gemeldet.
Die Urlaubsphase habe sich zu einer Herausforderung entwickelt, sagte der CSU-Chef. Dazu kämen die Familienheimkehrer aus dem Ausland und der Leichtsinn einiger Bürger als entscheidende Gründe für den Anstieg. Söder räumte dabei Versäumnisse der Politik ein. So seien die Pflichttests für Urlauber vermutlich zu spät gekommen und auch die neuen Risikogebiete zu spät als solche ausgewiesen worden. Deshalb sei nun so viel Einhelligkeit wie möglich nötig.
Söder forderte auf Bundesebene eine einheitliche Obergrenze für die Teilnehmerzahl privater Feiern. Darüber wollten auch die Gesundheitsminister am Montag beraten. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) mahnte ebenfalls ein gemeinsames Vorgehen der Bundesländer bei den von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vorgeschlagenen engeren Grenzen für private Feierlichkeiten an. "Ich hielte es für klug, wenn die Bundesländer gerade, was die Größenordnungen solcher Feiern angeht, zu einer einheitlichen Linie fänden", sagte der Kieler Regierungschef der "Welt".
In Ländern mit hohen Infektionszahlen müsse auch entschieden gehandelt werden, sagte zwar auch der sächsische Ministerpräsident Kretschmer. Es habe jedoch überhaupt keinen Sinn, einheitlich gegen den Erreger vorzugehen. Das Entscheidende sei, jetzt "nicht mit Kanonen auf Spatzen zu schießen" und alles zu verallgemeinern.
Dem schloss sich der Ministerpräsident Sachsen-Anhalts, Reiner Haseloff (CDU), an. "Bei uns ist da kein Handlungsbedarf", sagte er im Mitteldeutschen Rundfunk. Auch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) erteilte Forderungen etwa nach bundesweiten Obergrenzen für Veranstaltungen und private Feierlichkeiten eine Absage. "Ich würde die Entscheidung über die Höhe dieser Grenze lieber bei den Ländern belassen", sagte sie dem Berliner "Tagesspiegel".
Unterdessen stellte sich der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach gegen die Anregung von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, eine Maskenpflicht am Arbeitsplatz einzuführen. Das sei nur in Ausnahmefällen sinnvoll, sagte er der "Rheinischen Post". "Es kann nicht sein, dass eine kleine Gruppe durch rücksichtsloses Verhalten die Pandemie vorantreibt und dass dafür Schüler und Arbeitnehmer stundenlang die Maske tragen müssen."
by Nicolas Armer